Anfang März randalierte ein nackter junger Mann im Drogenrausch in der Tankstelle gegenüber vom Kater Blau, wo er zuvor gefeiert und Rauschmittel konsumiert hatte. Der Mann landet im Krankenhaus. Ist das ein Einzelfall oder kommt das in und an Berliner Clubs häufiger vor, ohne dass man groß darüber spricht, weil keine Überwachungskamera Ausraster und Zusammenbrüche aufzeichnet? Auch nach mehr als 25 Jahren Technokultur in Berlin existieren dazu keine gesicherten Erkenntnisse: Statistiken speziell zu Folgen des Drogenkonsums in Clubs und auf Parties gibt es nicht. Das möchte die Berliner Gesundheitsverwaltung nun ändern, wie sie das Abgeordnetenhaus informierte. Sie will eine Studie zu dem Drogenkonsum in Berliner Clubs durchführen lassen.
Damit will sie herausfinden, wer wie häufig was konsumiert und mit welchen Folgen. Hinterher erhofft man sich Aussagen machen zu können, wie alt die Drogenkonsumierenden sind und was gezogen, geschnupft und geraucht wird. Neben „normalen“ Partygängern sollen auch Mitarbeitende von Clubs und Rettungsstellen Auskunft geben.
Studien-Daten können sowohl Clubs als auch „Null-Toleranz“-Adepten in die Hände spielen
Doch was will man mit dem Wissen anfangen, dass Partytourist, männlich, 24, bei seinem Clubbesuch jedes zweite Wochenende Ecstasy nimmt? Die Gesundheitsverwaltung will vor allem Zahlen bekommen, wie viele Partygänger ihre Gesundheit durch riskanten Drogengebrauch gefährden. Erst wenn solche Zahlen vorliegen, kann man abschätzen, ob ein Problem besteht, gegen das man Maßnahmen ergreifen muss. Danach kann die Verwaltung auch entscheiden, was man genau macht. Schickt man Sozialarbeiter in die Clubs, die über den „falschen“ Gebrauch von Drogen informieren, wie es der Pressesprecher der Gesundheitsverwaltung Christoph Lang andeutet? Oder ermöglicht man „Drugchecking“, bei dem „vor Ort“ Substanzen auf ihre Gefährlichkeit untersucht werden um Gesundheitsrisiken für die Nutzenden zu minimieren? Zumindest die Lobby der Berliner Clubs, die clubcommission, findet solche Maßnahmen sinnvoll. „Konsumiert wird sowieso“, sagt ihr Bürochef Raimund Reintjes im Tagesspiegel. „Es wäre also im Interesse aller, wenn es einen bewussteren Drogenkonsum geben würde.“
Die Berliner Koalition aus SPD, Grüne und Linke hat sich in ihrem Koalitionsvertrag einer liberaleren Drogenpolitik verschrieben: persönlicher Gebrauch von Drogen in geschützten Räumen kann nicht unterbunden werden, was nervt, sind vor allem Beschaffungskriminalität und gesundheitliche Folgen. Doch vor allem zu letzteren ist erstaunlich wenig bekannt. Liegen die Fakten und statistische Daten zu Drogengebrauch und Missbrauch offen, könnte die Studie allerdings auch Gegnern einer liberalen Drogenpolitik in die Hände spielen. Dann könnte sich herausstellen, dass in einzelnen Clubs der Rettungsdienst Stammgast ist, um Gäste in die Notaufnahme zu bringen. Dann könnte auch Handlungsbedarf für die Berliner Polizei entstehen: eine strengere Überwachung der Clubs bis zu Razzien wie in der Vergangenheit könnten folgen. Denn weder Politik noch Clubs wollen, dass eine Situation entsteht wie 2016 in London: nachdem innerhalb eines kurzen Zeitraums im Londoner Technoclub Fabric zwei junge Menschen an Folgen von Drogenmissbrauch starben, schloss der Club über mehrere Monate und konnte nur unter Auflagen wieder eröffnen.