Dan Deacon – Der Indietronic-Priester

Dan Deacon

Dan Deacon aus Baltimore macht seltsame elektronische Musik und feiert wie Sau. Der etwas untersetzte Herr mit dem Erscheinungsbild eines Netzwerk-Administrators, studierte an einem Musikkonservatorium in New York – und sammelt seit mehreren Jahren durch explosive-theatralische Auftritte und durchgeknallte Indietronic-Platten eine treue Anhängerschaft. Seinen Durchbruch hatte er 2007 mit dem Album „Spiderman of the Rings“ auf Carpark Records. Für sein 2009er Album „Bromst“ arbeitete Dan mit anderen Musikern zusammen und spielte in Live-Auftritten als 14-köpfige Band. Anfang Februar spielte der bis dato in Deutschland so gut wie unbekannte Künstler auf der Club Transmediale in Berlin. Sein Solo-Auftritt führte zu tumultartigen Zuständen im WMF: ähnlich eines Ferienklub-Animateurs hatte er sein Publikum komplett im Griff. BLN.FM-Redakteur Joey Hansom gelang es die Elektronik-One-Man-Show beim Soundcheck abzupassen. Das Interview ist in Englisch, unten findet Ihr die deutsche Übersetzung.

Dan Deacons ältere Alben gibt es zum kostenlosen Download auf seiner Homepage.

Interview (in Englisch)

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In den USA hast Du eine recht treue und große Anhängerschaft. In Europa bist du nicht so bekannt – kannst Du mal Deine Musik beschreiben?

Sie ist laut, sie wird mit Hilfe von Computern und elektronischen Geräten erzeugt und wenn Du Google und Youtube nutzt, wirst Du viel bessere Beschreibungen finden, als das ich sie liefern könnte.

Dein letztes Album „Bromst“ hast Du mit mehreren Live-Musikern aufgenommen und auf Konzerten vorgestellt. Hier in Berlin trittst Du wieder solo auf. Haben Deine Erfahrungen als Bandmitglied Rückwirkungen auf dein jetzigen Auftritte.

Es hat meine Wahrnehmung von Performance und Musik im generellen verändert, wie ich das vorher nie gedacht hätte. Mit der Band war nichts vorprogrammiert, alles war live. Wenn ich jetzt wieder vorbereitet Musik spiele, fühlt sich das anders an – präzise, aber viel weniger menschlich. Das wird Auswirkungen auf meine nächste Platte haben.

Dan Deacon

„Bromst“ war ja schon eine Weiterentwicklung – wirst Du diesen Weg weitergehen? Kannst Du schon sagen, wie Dein nächstes Album klingen wird?

Das meiste Material für das nächste Album steht bereits – es muss nur noch ein Stück geschrieben werden. Dabei habe ich im Kopf, dass hier wieder verschiedene Musiker zusammen spielen. Gerade jetzt schreibe ich die Teile für die Instrumentierung – mit einbezogen werden dabei die Erfahrungen der vorangegangenen Tournee. Die neuen Stücke spiegeln auch die Möglichkeiten und Begrenzungen der nicht-elektronischen Instrumente und des persönlichen Zusammenspiels. Dadurch wird das Album ganz anders klingen als meine vorherigen.

In Deinen Shows in Baltimore tauchen Deine Fans in Neon-Farben gekleidet und mit Farben im Gesicht auf…

Die sind nicht seltsamer angezogen als bei anderen Konzerten. Geh mal zu einer Animal Collective-Show – da kriegst Du noch mehr Neon und Gesichtsfarbe!

Dan Deacon

Denkst Du es macht einen Unterschied, dass Dich das Publikum hier noch nicht kennt?

Ich finde es viel besser, wenn das Publikum keine festen Erwartungen hat. Die können zu Enttäuschungen führen – oder dazu, dass die ganze Zeit auf bestimmte Teile des Auftritts gewartet wird. Wenn die Leute nicht so richtig wissen, was sie erwarten können, können sie das, was sie erleben, viel mehr genießen – Erfahrungen die sonst durch die Medien überlagert werden.

In Berlin geht man lange aus. Am nächsten Morgen ist nichts davon geblieben. Du sagst, dass Du mit Deiner Musik länger auf Zuhörer wirken willst…

Ich finde nicht, dass meine Musik Tanzmusik ist. Ich höre davon nur wenig. Okay – man kann zu meiner Musik tanzen – genauso wie zu der von den Talking Heads. Gleichzeitig sind David Byrnes [Sänger der Talking Heads, die Red.] Texte tiefgründig. Viel Musik – welche aus der Tradition der Unterhaltungsmusik kommt – Swing, Disko und vieles andere dieser Art – ist dagegen einfach nur süßlich und vergänglich – und das will ich nicht.

Viel Tanzmusik ist für geänderte Bewusstseinszustände produziert. In einem früheren Interview hast Du gesagt, dass Du diese Zustände okay und wichtig findest, wenn kontrolliert damit umgegangen wird. Wie passt das zusammen – Verantwortung und Drogenkonsum?

Das ist von Person zu Person unterschiedlich. Ich würde niemanden vorschreiben, wie das eigene Ich erforscht werden sollte. Aber Leute in meinen Konzerten, welche inmitten von Fremden in einem dunklen Raum voll drauf sind, verwundern mich doch etwas. Wenn man auf der Suche nach sich selbst ist – dann eher in einer Situation, wo man mit sich selbst kommunizieren kann. Wenn Menschen hingegen ausgehen und sich abschießen, dann ist mir das fremd.

Mehr Bilder des Dan Deacon-Auftritts auf der CTM