Eigentlich wollte der Streifenpolizist nur ein Knöllchen wegen Falschparken verteilen. Doch dabei traf er auf einen Passanten, der ihn doof anmachte. Zeig mal den Ausweis her, forderte der Beamte daraufhin. Doch der renitente Passant weigerte sich. Die Situation spitzte sich zu, zwei weitere Männer und eine Frau kamen hinzu. Es wurde handgreiflich. Der Polizist sagt im Nachhinein, es wurde auf ihn eingeprügelt, bis er am Boden lag. Anschließend flohen die Angreifer in ein besetzte Haus in der Rigaer Straße.
Innensenator Frank Henkel (CDU) und die Berliner Polizeidirektion 5 fanden: Das muss Folgen haben. Am 13. Januar wurde ein Großeinsatz der Berliner Polizei angeordnet, um in den Abendstunden den Zufluchtsort der Täter „anzuschauen“. Rund 500 Polizisten, darunter auch das Sondereinsatzkommando SEK, brachen Türen auf und drangen in das Wohnhaus ein. Sie führten eine sogenannte „Hausbegehung“ durch. Die Beamten wollten also nur den Hof, das Dach und die Flure anschauen und „gefährliche Gegenstände“ suchen. Dafür ist kein Durchsuchungsbefehl nötig. Und „gefährliche Gegenstände“ wurden auch gefunden: Pflastersteine, die man auf Polizeiwagen werfen könnte, Eisenstangen und Krähenfüße, welche Luft aus Fahrzeugreifen lassen. Festgenommen wurde niemand, auch nicht die Rempler vom Vortag. Am Tag danach rückte die Polizei nochmals aus: diesmal stiegen sie auf das Dach des besetzten Hauses. Dort fanden sie nichts, wie eine Polizeisprecherin dem rbb mitteilte. Angeblich sollen von den Dächern Steine auf Polizeiautos geworfen worden sein.
BLN.FM wollte vom Friedrichhainer CDU-Chef Kurt Wansner wissen, warum so viel Aufwand betrieben wird, nachdem ein einziger Polizist umgerempelt wurde. Der „Anschlag auf einen Polizisten“ sei eine ganz neue Art der Gewalt, antwortet der Parteifreund des Berliner Innensenators und stellt sich ganz hinter die Polizei. Der Einsatz zeige der linksradikalen Szene in Friedrichshain, dass ihre Zeit bald enden werde.
Der Grund für das plötzliche drastische Vorgehen könnte jedoch ein anderer sein: Die politische Bilanz vom Innensenator Frank Henkel (CDU) fällt mau aus. Nach wie vor fehlt ein Sicherheitskonzept für das RAW-Gelände, im Görlitzer Park stehen nach wie vor die Drogenverkäufer. Gleichzeitig verärgerten radikale Aktivisten mit verbalen Provokationen und einzelnen Aktionen die Ordnungshüter. Das besetzte Haus Rigaer 94 wurde dabei als zentraler Rückzugsort für Aktivisten ausgemacht. Die Gewerkschaft der Polizei forderte schon lange im „Brennpunkt Rigaer Straße“ etwas zu unternehmen. Und die hat der Innensenator als zentrale Klientel ausgemacht: so fordert er die Verschärfung des Strafrechts für Taten gegen Polizisten und Einsatzkräfte und verantwortet die Verschärfung des Berliner Polizeigesetzes in den letzten Jahren.
Wie Kurt Wansner (CDU) am 14.01.2016 den Einsatz im Friedrichshainer rechtfertigte:
Update 15.01.2016:
Am 14. Januar abends gaben die Sympathisanten des besetzten Hauses eine „Pressekonferenz“ vom Balkon herab. Anwohnern schilderten die unangenehme Begleitereignisse des Polizeieinsatzes: Eltern wurden nicht zu ihren Kindern gelassen, Fenster und Türen beschädigt, der Polizei-Hubschrauber leuchtete in Wohnungen und störte die Nachtruhe. Es gehe ihm „auf den Keks“, dass die Berliner Polizei grundlos auf Konfrontation im Kiez unterwegs sei, sagte ein Anwohner. Andere sind genervt von den ständigen Polizei-Kontrollen. Dass einige Nordkiez-Bewohner das Recht selbst in ihre Hand nehmen, hat sich indes nicht geändert. Bewohner des besetzen Hauses vertrieben am 14. Januar abends eine Gruppe rechtsradikaler Medienaktivisten, die Filmaufnahmen von der Rigaer Straße machen wollte und demolierte dabei ihr Fahrzeug.
(Foto: Flickr, Chiara Alchimia, CC-BY-ND-2.0)