Florian Günther kam 1963 im Krankenhaus Berlin-Friedrichshain zur Welt. Und auf dem Friedhof gegenüber möchte er beerdigt werden. Denn obwohl sich einiges geändert hat und Florian herumgekommen ist – den Ostberliner Bezirk will der Literat und Herausgeber einer
Literaturzeitschrift nicht verlassen.
Es gibt wenig, was Florian noch nicht ausprobiert hat: Nach einer Lehre als Drucker arbeitete er als Totengräber, Anstreicher, Chauffeur, Paketsortierer, Bauarbeiter, Lager- und Fließbandarbeiter, Buchverkäufer, Pizzafahrer und Grafiker. Er sang in einer Punkband, verfasste eigene Gedichte und fotografierte. Und weil das alles noch nicht reicht, ist er seit fünf Jahren der Herausgeber seiner eigenen Zeitung: „Drecksack – Lesbare Zeitschrift für Literatur“ erscheint alle drei Monate. „Die Zeitung sammelt den ‚Dreck der Gesellschaft‘ in einem Sack“, erklärt er das Konzept. Auf der letzten Seite erzählt ein Häftling regelmäßig aus seinem Knastalltag. „Auch wenn Obdachlose zu mir kommen und Texte vorbei bringen, drucken wir sie“, sagt Florian. Ironische meint er „Da, wo es am meisten stinkt, ist es mir am liebsten“.
Der Friedrichshainer ist viel in der Welt unterwegs gewesen, aber wollte immer wieder zurück in seinen Kiez. „Er hat ein Leben lang gebraucht, um die Strasse zu überqueren“ soll später auf seinem Grabstein stehen, sagt er. „Vor 1989 war’s immer gleich hier“ erinnert er sich über die DDR-Zeiten in seinem Heimatbezirk. „Danach hat sich viel verändert: vieles zum Positiven, aber auch einiges zum Negativen“. Doch die „jungen Leute mit Ringelsocken“, wie er die zugezogenen Hipster in Friedrichshain nennt, stören ihn nicht. „Wenn ich 18 wäre und da leben würde – das wäre das Paradies“ sagt er. Ihn stört stattdessen, das die Vielfalt in seinem Bezirk verloren geht. Kneipen sterben, Menschen in seinem Alter ziehen weg. „So entstand die Idee ein Fotobuch zu machen, mit denen, die noch da sind“, sagt er.
Florians neue Fotoband trägt den Titel „Genug Zeit zu verlieren“. Darin porträtiert Florian Menschen aus seiner Umgebung. Damit das Buch veröffentlicht werden kann, hat er eine Crowdfunding-Kampagne gestartet, die ihr auf startnext unterstützen könnt. Es soll wie sein Vorgänger im Verlag Edition Lükk-Nösens erscheinen. Bereits sein erster Fotoband „Reisen ohne wegzumüssen“ erschien 2012 und zeigt Fotografien aus den Jahren 1984-1994.
Fotos aus:
- Florian Günther: „Reisen ohne wegzumüssen“, 2012,
- Florian Günther: „Genug Zeit zu verlieren“, 2015,
beide erschienen bei Edition Lükk Nösens
Florian Günter erzählt vom alten und neuen Friedrichshain auf BLN.FM
(Foto Florian Günther: Christian Werner)