Warum haben Berliner Clubs eigentlich immer Stress mit dem Bauamt?

neue heimat, stattbad collage, fotos: joão ramos, Tomomi Sasaki (CC BY-NC 2.0)

Erst sollte die „Food- und Musikhalle“ Neue Heimat auf dem RAW vom Amt geschlossen werden, dann gaben die Betreiber nach einem Kompromiss am 10.9.2015 überraschend von selbst auf. Am 13.9. soll die Neue Heimat schließen – nicht ohne die Behörden  diese Woche anzuprangern: sie wären getäuscht worden. Die ganze Geschichte aus unterschiedlichen Blickwinkeln lest ihr auf BLN.FM. Fakt ist: die Investitionen, welche die Betreiber leisten müssten, um Brandschutzauflagen innerhalb der gesetzten Frist zu erfüllen, übersteigen die Mittel des Teams. Potentielle Partner sprangen ab als klar war, dass nicht hundertprozentig sicher ist, dass das Bezirksamt den Ausbau der Neuen Heimat von einer Markthalle mit gelegentlichen Kulturveranstaltungen zu einem regulären Club, amtsdeutsch „Vergnügungsstätte“, genehmigen wird.

Berlins Clubschließungen 2015 folgen einem bestimmten Muster

Das krachende Ende des Projekts erinnert an die Schließung des Stattbad Wedding im Frühjahr 2015. Nach drei Jahren wurde der Clubbetrieb nach einer Inspektion abrupt beendet, die schwere Brandschutzmängel offen legte. Auch hier wollte am Ende niemand die notwendigen Umbaumaßnahmen durchführen, weder Betreiber noch Besitzer des Stattbads. Auch dort standen die verantwortlichen Behörden einem Clubbetrieb auf dem Areal ablehnend gegenüber. Die Ereignisse um Neue Heimat und Stattbad scheinen also einem Muster folgen: Warum bekommen Berlins alternative Veranstaltungsorte ständig Probleme mit dem Bauamt?

Lutz Leichsenring von der clubkommission Berlin sagt, das Clubs aus dem Raster des Baurechts fallen. Das sei sowieso schon kompliziert und nicht zugeschnitten auf Zwischennutzungen in baufälligen Altbauten, in denen Clubs meist eröffnen. Es sei auch unflexibel: starre Regelungen nehmen keine Rücksicht auf Betreiber, die wie im Fall Neue Heimat erstmal Ideen ausprobieren und schauen, was vom Publikum angenommen wird. So können auch Veranstaltungsorte Opfer von Popularität werden: mehr Menschen kommen als behördlich genehmigt, dadurch entstehen Sicherheitprobleme. Dass Clubs damit wiederholt mit behördlichen Vorgaben in Konflikt geraten, „gehe nicht anders“. Was in Friedrichshain passiere, sei dabei noch recht komfortabel: „Wir hätten in Friedrichshain-Kreuzberg nicht eine so vielfältige Clubszene, wenn es keine Verwaltung gäbe, die das versteht und sich bemüht. Aber auch die kommt an ihre Grenzen.“, sagt Lutz. Häufig hingen die Einzelregelungen auch am Verständnis von einzelnen Beamten und unterscheiden sich von Bezirk zu Bezirk.

Berlins Clubszene wäre ohne das permanente Ausnutzen von rechtlichen Grauzonen nie das geworden, was sie ist

Die Entwicklung der Berliner Clubszene sei nicht möglich gewesen, ohne dass Clubbetreiber die rechtlichen Grauzonen ausnutzen. Schließlich eröffneten Berliner Clubs in der Regel in alten Gebäuden und seien erstmal vorläufig. Das Baurecht hingegen fordere für öffentliche Gebäude behindertengerechte, ebenerdige Zugänge, Sprinkleranlagen und Aufzüge – unbezahlbar für temporäre Clubs. Erst nach und nach legalisieren sich Clubs, häufig auch dann, wenn die Mietverträge langfristig werden. Dabei kann sich auch herausstellen, das eine bestimmte Nutzung – wie der Clubbetrieb – nicht weiter verfolgt werden kann, sagt Lutz. Am Ende bedeutet das wie im Fall der Neuen Heimat den Verlust der wichtigsten Einkommensquelle – und den Verlust einer Perspektive.

Berlins Politiker und Behörden schieben bisher das Problem ab: die Eröffnung und Renovierung von Gebäuden für Clubs ist  die Angelegenheit der Betreiber und Immobilien-Eigentümer. Wenn das Geschäftsmodell wegen des Baurechts nicht mehr funktioniert – Pech gehabt, unternehmerisches Risiko! Für Berlins Clubkultur könnte das auf Dauer zu kurz gedacht sein.

(Anmerkung: Das Interview hat stattgefunden, bevor die Neue Heimat am 10.9. 2015 ihre Schließung verkündete / Foto: Neue Heimat, Stattbad Wedding – Collage BLN.FM. Fotos:  João Ramos,  Tomomi Sasaki  (CC BY-NC 2.0))