Internetaktivismus hat spätestens seit der Edward Snowden-Affäre ein Gesicht bekommen. Der ehemalige Mitarbeiter des amerikanischen Geheimdienstes veröffentlichte 2013 über die Plattform Wikileaks geheime Dokumente, welche offiziell machten, was alle schon irgendwie ahnten: USA-Geheimdienste hören die ganze Welt ab – mit Hilfe „befreundeter“ Regierungen. Doch auch eine vermeintlich liberale US-Regierung unter Barack Obama findet „Geheimnisverrat“ nicht witzig: also lebt Snowden jetzt im politischem Asyl in Russland.
Edward Snowden gehört zu sechs „Internetaktivisten“, die Jacob Appelbaum, selbst Fürsprecher für digitale Bürgerrechte und Journalist, in seiner ersten Solo-Ausstellung „Samizdata“ mit Portraits Respekt zollt. Damit will er, so sagte er dem Art-Magazine, „seine persönliche Bewunderung für ihre Arbeit ausdrücken und etwas an sie zurück geben“. Alle politische Dissidenten setzen sich mit der Überwachung des Internet auseinander.
Mit allen Aktivisten arbeitete Jacob Appelbaum zusammen – auch mit dem chinesischen Künstler Ai Weiwei. Mit dem Kunststar gestaltete er den zweiten Teil der Ausstellung gemeinsam. Der Titel der Installation „P2P“. Diese Abkürzung steht für das „peer to peer„-Prinzip: damit ist ein Netzwerk gemeint, in dem Informationen nicht zentral lagern, sondern wie bei bittorrent über viele Computer verteilt sind, die sowohl Daten empfangen als auch anbieten. Dabei ist das P2P-Prinzip das einzige, welches garantiert, dass Information zirkulieren und Informanten sicher sind. Denn wir kennen es aus Agententhrillern: Wenn Übeltäter den letzten Zeuge eines Verbrechens mit dem Beweisfoto ausschalten, erfährt niemand die Wahrheit. Einzige Möglichkeit: die Beweise müssen kopiert und verstreut werden.
Ironischerweise steht „P2P“ aber auch für etwas anderes: mit „Panda to Panda“ bezeichnen die Chinesen die Geheimpolizei, die das Netz überwacht und filtert. Diese Doppeldeutigkeit liefert die Idee für die Installation von Ai Weiwei und Jacob Appelbaum: erst entnahmen sie zwanzig Plüschpandas die weiße kuschelige Füllung. Dann stopften sie stattdessen geschredderte NSA-Dokumente hinein, die Edward Snowden 2013 an Journalisten übergab. Jeder Panda trägt gleichzeitig eine Chipkarte in sich, auf der die Dokumente nochmals digital gespeichert sind. Mittlerweile sind die Plüschtiere mit den brisanten Informationen weltweit auf verschiedene Museen verteilt, wie Laura Poitras Videodokumentation „The Art Of Dissident“ festhält.
Ihr Kunstwerk ist also eine Möglichkeit Informationen verfügbar zu halten – und vor den Zugriff von Zensoren zu schützen. Eine Modernisierung von des Samisdat-Prinzips, mit dem die politische Opposition in der Sowjetunion Literatur persönlich von Hand zu Hand verbreitete. Deshalb findet zur Eröffnung der Ausstellung auch mit einer zweitägige Konferenz „Samizdata: Tactics and Strategies“ statt, die Hacker, Künstler und Politaktivisten wie Jacob Appelbaum, Laura Poitras, Jaromil, Jørgen Johansen, Theresa Züger und Sophie Toupin zusammenbringt.
„Jacob Appelbaum – Samizdata: Evidence of Conspiracy“, 11.9.–31.10.2015, Eröffnung: 10.09.2015 ab 18 Uhr, Ausstellung: Di–Sa, 15-19 Uhr, Nome, Dolziger Str. 31, Friedrichshain, S-Bahn: Frankfurter Allee / Konferenz: 11./12.9.2015, Kunstquartier Bethanien, Mariannenplatz 2, Kreuzberg, U-Bahn: Kottbusser Tor
(Fotos: Jacob Appelbaum)