Aufgang – Aufgang

Aufgang - AufgangDass klassische Musik mehr als nur der musikalische Zeitvertreib bzw. Schwerpunkt älterer oder konservativer Generationen ist, dürfte spätestens seit den gern und gut besuchten Veranstaltungen der Yellow Lounge bekannt sein. Und es kam auch schon oft vor, dass sich Künstler des elektronischen Umfelds klassischer bzw. neuer Musik bedienten, sie als Inspiration nannten oder sie gleich sampelten und in ihre Tracks einbauten.

Einen Schritt weiter gehen nun die drei Musiker von Aufgang, die mit ihrem selbstbetitelten Debüt zeigen wollen, dass es sogar möglich ist, aus der Synthese von klassischen Instrumenten – in diesem Fall zwei Klaviere – und typischen technoiden Elementen eine Musik zu kreieren, die sich für Zuhause wie auch für Tanz und Wegtreiben lassen im Club eignet.

Aufgang – das sind die beiden klassisch ausgebildeten und in diesem Bereich sehr erfolgreich tätigen Pianisten Rami Khalifé und Francesco Tristano Schlimé sowie Schlagzeuger Aymeric Westrich, der vorwiegend als Hip-Hop-Produzent sowie als Tour-Schlagzeuger arbeitete, Rami jedoch aus der Schulzeit kannte. Rami und Francesco haben sich 2000 auf der berühmten New Yorker Julliard-School kennen gelernt, wo sie nebst Klavierstudium noch eine weitere Leidenschaft teilten: Beide waren leidenschaftliche Club-Gänger und begannen bald, gemeinsam an Stücken zu arbeiten, in denen sie ihre Eindrücke aus Studium wie Partyleben einfließen lassen konnten.

Der erste Auftritt sollte jedoch bis zum Jahr 2005 warten, als Francesco nach einem klassischen Konzert in einer Barceloner Galerie Rami auf die Bühne holte und mit ihm Jeff Mills‘ Techno-Klassiker „The Bells“ zum Besten gab. Ein sich im Publikum befindender Booker des Sonar-Festivals schlug ihnen einen richtigen Gig vor. Nach 5 Tagen war es soweit und Rami, Francesco und Aymeric gaben auf dem Sonar-Festival ihr erstes Konzert, welches von dem Publikum mit Begeisterung aufgenommen wurde.

AufgangKnapp fünf Jahre nach diesem sensationellen Auftritt und einer herausgebrachten EP „Sonar“ folgt nun das Debut-Album der drei Ausnahmemusiker: Es überzeugt durch ihre Virtuosität wie durch die Offenheit und Vielfalt, mit der sie verschiedene elektronische Stile mit klassischen Elementen kreuzen.

Mal spielen die Klaviere zusammen und konstruieren ein einziges großes Klanggebilde, mal führen sie einen lebhaften Dialog zweier gegensätzlicher Partner, die durch das Schlagzeug miteinander verbunden bleiben und immer wieder zueinander finden. Dazwischen, darunter oder darüber liegen elektronische Effekte und Klänge, die das Grundprinzip der Stiloffenheit immer wieder betonen. So lassen die ersten beiden Tracks „Channel 7“ und „Channel 8“ das Gefühl an einen Filmsoundtrack aufkommen, bei dem die elektronischen Parts die Grundstimmung vermitteln und die Klavierläufe die Handlung unterstreichen – die Anleihen an Minimal-Music-Urvater Philip Glass, weiterer prominenter Schüler der Julliard School, sind nicht zu überhören.

Der dritte Track „Barock“ lässt Schlimés intensive Beschäftigung mit Barockmusik – Bach sei sein Vorbild, betont er gerne – erkennen. Dann „Sonar“, bei dem repetitive Stakkato-Klavierakkorde und ein durchgehend konstanter Bassdrum/Snare-Beat – aufgelockert durch die verspielt, ständig variierende Hi-Hat – eine amüsante Variante eines klassischen, ja tanzbaren Technorhythmus bilden. Nach diesem vergleichsweise lauten Stück dann das ruhige, verträumte, einfach wunderschöne Gänsehaut verursachende „Prélude du passé“, dass am Anfang nach Chopin, dann ein wenig nach Jazz, dann wieder nach Trip-Hop klingt. „Good Generation“ könnte man als Track in bewährter House-Tradition bezeichnen, wären da nicht zwei Klaviere die Hauptakteure.

AufgangMit „3 Vitesses“ nun ein abstraktes, experimentelles Stück mit rasanten Klavierläufen und einem leichten, fast new-jazzigen, ebenso schnellen Schlagzeug, welches live vorgetragen ein Augen- wie Ohrenschmaus sein dürfte. Der Titeltrack „Aufgang“ startet wieder mit einem fast typischen Techno-Beat mit acidmäßigen Effekten, auf dem sich überraschungsartig schwere atonale Klavierakkorde türmen, um sich dann wieder in Wohlgefallen aufzulösen. Als letztes Stück „Soumission“, eine Hommage an John Cage und sein präpariertes Klavier. Hier wird einfach alles am Klavier als Klangerzeuger benutzt und vorgestellt, bevor sich die Klänge, unterstützt vom einsetzenden Schlagzeug, in ein dramatisch anmutendes und treibendes Klanggebilde zusammenfügen.

Insgesamt ein vielfältiges, spannendes, immer wieder überraschendes Album, das einem Lust und Neugierde auf mehr macht. Mit dem Namen Aufgang bezeichnen die drei in Frankreich ansässigen Musiker das Streben nach dem Unbekannten, aber in stetig ansteigender Richtung. Mit diesem ersten Album werden die drei dem Namen durchaus gerecht. In einem Interview meinten sie, dass sie eigentlich nur eines wollen: ihre Musik live vortragen und dem Publikum live näher bringen. Ich warte nur darauf!

(Text: Ima Johnen)

Hier eine kleine Preview des Albums:

[podcast]http://www.bln.fm/media/audio/previews/20100123_imfoks_aufgang.mp3[/podcast]

Tracklist:

  1. Channel 7
  2. Channel 8
  3. Barock
  4. Sonar
  5. Prélude du passé
  6. Good Generation
  7. 3 Vitesses
  8. Aufgang
  9. Soumission

(InFiné / Discograph)