Konzertbesucher kennen das. Das Ticket wurde lange im Voraus bestellt. Angestanden, Vorverkaufsgebühr bezahlt. Der große Abend ist da. Doch dann: der Sänger der Band versemmelt die Töne. Offenkundig hat er sich ein bisschen zu sehr mit legalen oder illegalen Rauschmitteln locker gemacht. Der Schlagzeuger verpasst Einsätze, die Gitarre röchelt, das „Zusammenspiel“ einzelner Teile mündet in eine Kakophonie des Grauens. Und das war nur die Vorband. Denn der elektronische Haupt-Act ist einfach nur ein EDM-Poser, der ein vorproduziertes Set aus den CD-Playern abspielt, dazu rumhampelt und ein bisschen Knöpfchendrehen simuliert. Oder ein Rapper, der probiert zu singen (Foto).
Unzufrieden? Bislang war es das Risiko eines Konzertbesuchers – Ticket gekauft, Geld weg. Auch wenn der Auftritt des Interpreten unterirdisch war. Nur wenn der Bandbus nicht ankam – oder der Künstler aus irgendwelchen Gründen nicht das Hotelzimmer verlassen konnte und den Flug verpasst hatte – dann konnte man auf die Kulanz von Veranstaltern hoffen.
Playback-Faker – Zieht euch warm an!
Doch das könnte sich ändern. Finnland jedenfalls geht voran. Wie der finnische Sender yle berichtete, hat das Consumers Disputes Board, die finnische Version der „Verbraucherzentrale“, durchgesetzt, dass es die Hälfte des Ticketpreises zurückgibt, wenn ein Konzert „schlecht“ war. Wie das herausbekommen wird? Die Mehrheit des Publikums muss darin übereinstimmen, dass das Konzert die Erwartungen nicht erfüllt hat. Einschränkung: Lallt der Sänger den Auftritt hindurch, weil der exzessive Alkoholkonsum zum Image gehört, gilt die Regelung nicht. Als Fan erwartet man dann ja schließlich nichts anderes als schräge Töne. Punk- und Noise-Bands können also weiter genial herumstümpern. Aber auch für Playback-Künstler könnte das zutreffen. Problem ist nur: ist sich die Mehrheit des Publikums vor dem Konzert bewusst, dass Lindsey Sterlings Brostep-Violine gar nicht zu hören sein wird, wenn sie über die Bühne turnt?
In Finnland ist die Regelung Ergebnis einer Debatte, die durch ein „schlechtes“ Konzert von Chuck Berry 2013 ausgelöst wurde. Der Gitarrist trat auf, obwohl er krank war, brach dann das Konzert aber frühzeitig ab. Im Nachhinein gab es Beschwerden der zahlenden Käufer. Doch so eine Regelung wie in Finnland läßt Fragen offen: Wie soll die allgemeine Zufriedenheit des Publikums gemessen werden? Sollen nach dem Konzert Umfragen durchgeführt werden?
Bei den peniblen Deutschen: Niemand beschwert sich.
In Deutschland gibt es derzeit keine Regelungen. Der Veranstalter trinity wollte zu dem Thema nichts sagen und Loft Concerts, Veranstalter von Underground-Konzerte, kannten solche Probleme nicht. Wo keine Klagen sind, da ist auch kein Handlungsbedarf. Vielleicht mutet es für enttäuschte Konzertbesucher auch spießig an, „schlechte“ Auftritte reklamieren. Fans entziehen ihre Liebe anders: indem sie nie wieder ein Ticket für eine Band kaufen oder das Tour-T-Shirt ihrer Lieblingsband aussortieren.
(Charly Madden & Alexander Koenitz, Foto: Kanye West, rodrigoferrari (CC BY-NC 2.0))