Aesthetica – Digitale Kunst, voll konkret.

AESTHETICA: Rafael Lozano-Hemmer, Frieder Nake, Georg Nees, Antoine Schmitt. Vorn: Zuse Graphomat Z64 aus dem Jahr 1965
„Aesthetica“: Rafael Lozano-Hemmer, Frieder Nake, Georg Nees, Antoine Schmitt. Vorn: Zuse Graphomat Z64 aus dem Jahr 1965

Computergenerierte Musik gehört zu Berlin wie die Faust aufs Auge. So muss man heutzutage kein versierter Schlagzeuger mehr sein, um einen anständigen Rhythmus oder eine atmosphärische Melodie unter einen Track zu legen. Wer sagt also, dass man ein begnadeter Maler mit ruhiger Hand sein muss, um Kunst aufs Papier zu bringen? Wie viele Kunstwerke wurden im Mathe-Unterricht mit dem Zirkel aufs Löschpapier gezaubert, während an der Tafel die 17. Sinusquadratwurzel berechnet wurde?

Die Ausstellung „Aesthetica“ widmet sich den fortgeschrittenen Produkten dieses künstlerischen Schaffens. Sie zeigt computergenerierte Plotterzeichnungen – oder „künstliche Kunst“, wie der deutsche Philosoph Max Bense diese neue Kunstrichtung in den 1960er Jahren taufte. Da waren diese elaborierten Techniken neu. In den letzten 50 Jahren sind computer-generierte Grafiken und Ausgedrucktes in so gut wie jeden Haushalt eingezogen – und auch etablierter Bestandteil der Kunst geworden. Eine Hochzeit, die vielleicht schon wieder vorbei ist denn in der Ära von Touchscreens und vernetztem, drahtlosen Datenaustausch, verschwinden Drucker wieder. Gerade in ihrer technischen Beschränkung durch Speicher, Raster und Farben haben die altmodischen, technischen Ausgabegeräte spielerische Kreativität provoziert. So geht ein Hauch von Wehmut durch eine Ausstellung, die frühe grafische Werke der Pioniere der konkreten Kunst wie Casey Reas und Rafael Lozano-Hemmer zeigt.

Die Künstler führten die Kombinationen aus Viereck, Dreieck und Kreis aus der abstrakten Kunst weiter, mit denen bereits der Bauhaus-Lehrer Wassily Kandinsky in den 1920ern experimentierte. Doch während die abstrakte Kunst reale Gegenstände zu Formen vereinfachte, stehen die Darstellungen in der konkreten Kunst für nichts, sie verweisen auf nichts. Geometrische Formen besitzen keine symbolische Bedeutung – sondern sind nur der Sinneseindruck, der Versuch eine visuelle Idee in Perfektion zu Papier zu bringen. Dabei versuchen die Künstler den menschlichen Faktor, der Fehler produziert auszuschalten. Computerprogramme übernehmen die Generierung von Bildern und Formen, ähnlich wie die Soundmaschine die Loops in der elektronischen Musik. Für Manfred Mohr, Digitalkünstler der ersten Generation und ebenfalls in der Ausstellung vertreten, gehört deshalb Programmieren genauso zur Kunst wie das Fahrradfahren zu Sommerferien.

„Aesthetica“ bis zum 1.8.2015,Dam Galerie, Neue Jakobstr. 6, 2. linker Hinterhof, 10179 Berlin-Mitte, U-Bahn Heinrich-Heine-Straße, Eintritt frei