Die 1960er brachten der Menschheit nicht nur kurze Röcke und Valium. Nachdem Menschen den Kosmos eroberten, war der Optimismus auch auf der Erde grenzenlos: junge Architekten wollten eine ganz neue Welt. Eine ihrer Spielwiesen war Berlin. Der zweite Weltkrieg hatte hier sowieso eine Menge platt gemacht. Die Berliner Mauer bot dann einen zusätzlichen Anreiz: 1961 errichtet, motivierte sie im Wettkampf zwischen Kommunismus und Kapitalismus die Architekten aus Ost und West zum politisch motivierten Schwanzvergleich mittels Entwürfen und Projekten. War einmal das höchste Haus der Stadt, das modernste Einkaufszentrum oder die breiteste Straße eröffnet, schickte man sich auf der anderen Seite an, den Klassenfeind mit einem eigenen Superlativ zu übertreffen.
Im Zeitalter der Moderne war Neuaufbau angesagt. Architekten waren Idealisten und Visionäre. Bessere Lebensbedingungen, das hieß damals: eine Stadt optimiert für den Autoverkehr mit rollenden Gehwegen nebenan. Technik war das Zauberwort. Leichtigkeit, Optimismus – das unterschied die neuen Entwürfe von den pompösen Visionen der Architekten des Dritten Reiches. Inspiration lieferte das Bauhaus, dessen Schüler aus dem Exil zurückkehrten, in das sie vor den Nazis geflüchtet waren. So entstanden Bauten wie die Neue Nationalgalerie von Mies van der Rohe am Potsdamer Platz (1968), die gerade saniert wird. Doch andere Gebäude dieser Epoche wurden nicht so geliebt: der Stil der Swinging Sixties wurde später oft als “hässlich” und “kalt” abgetan. Viele Gebäude aus dieser Zeit sind daher inzwischen verwahrlost oder abgerissen. Zu radikal in den Formen, zu wenig heimelig.
Die Berlinische Galerie zeigt seit ihrer Wiedereröffnung am 28. Mai 2015 “Radikal Modern – Planen und Bauen im Berlin der 1960er Jahre”. Dort ist in 250 Plänen, Skizzen, 3D-Modellen und Videos zu sehen, wie sich 30 Architekten aus Ost- und West-Berlin die neue Stadt vorstellten und welche politischen und gesellschaftlichen Visionen sie dabei hatten. Wir haben für euch Vision und Wirklichkeit verglichen.
Westberlin – Europacenter, Breitscheidplatz am Zoo
Westberlin – Oranienplatz in Berlin Kreuzberg
Westberlin – Märkisches Viertel: Senftenberger Ring
„Großhügelhaus“ für 22000 Menschen
„Radikal Modern”, Ausstellung, Berlinische Galerie, Alte Jakobstraße 124-128, Berlin-Kreuzberg, S-/U-Bahn: Kochstraße, 8,- €
(Fotos: Europacenter 2010 – discopalace (CC BY-NC-ND 2.0) // Oranienplatz 2011 – _dChris (CC BY 2.0) // Senftenberger Ring 2012 – Fridolin freudenfett (Peter Kuley) (CC-BY-SA-3.0) // alle anderen Bilder Berlinische Galerie)