Messdiener aufgepasst: eine Musikgruppe mit dem orakelnden Namen Delphic widmet euch den Titel ihres Debütalbums. Im Februar 2009 begeisterte die junge Band aus Manchester im Vorprogramm von Bloc Party das Publikum beinahe mehr als der Hauptact selbst, Ende November waren sie Teil des großartigen Kitsuné-Showcases im Ritter Butzke. Der breiteren Öffentlichkeit aufgefallen ist das Trio, das live um einen Schlagzeuger ergänzt wird, mit der Single „Counterpoint“ (und dem dazugehörigen Video) sowie einigen experimentellen Videoschnipseln auf YouTube, die auch von visueller Kreativität und Schaffensfreude zeugen. Und nun also ist der lang erwartete, allerdings etwas kurz geratene Longplayer erschienen.
Das ganze Werk umfasst zehn Tracks, die zusammen einen sehr durchgängigen Flow entwickeln (und die live zu einer Art DJ-Set verschmelzen), aber gleichzeitig nicht bloß Variationen desselben Themas sind. Stilistisch schaffen sich Delphic ihre eigene Nische und entwickeln eine ästhetisch ansprechende und sehr organische Symbiose aus sanft treibender Elektronik und zahmem Indierock. Auch die Vocals sind überharmonisch glatt poliert und geraten dadurch sehr eingängig, allerdings auch recht kantenlos. Textlich wiederum lassen die drei Laptoprocker immer wieder durchscheinen, dass ihre Musik nicht nur Seele, sondern auch Geist hat – dabei setzen sie auf melancholische Tiefe und bisweilen mantra-artige Wiederholungen.
Wie der Rezensent der kulturnews bemerkte, steckten in „Acolyte“ – entgegen der üblichen Erfahrung mit neuen Hypebands – nur ein bis zwei Füller zwischen einer ganzen Reihe von möglichen Hits. Dem mag ich mich anschließen, wobei das meiner Meinung nach schwächste Stück – „Red Lights“ – immer noch sehr hörbar und eingängig ist. Somit kommen wir also auf ein Album voller Tracks mit hohem Airplay-Potential, und zwar für Radiostationen verschiedenster Art. Denn die Vielseitigkeit der angebotenen Perspektiven auf den Delphic-Sound erlaubt gleichzeitig elektronische, pop-affine und gitarrenfokussierte Zugänge zur Musik.
Insgesamt zeichnet „Acolyte“ eine Stimmung von Urbanität aus, die sich dank der wohltemperierten Harmonien entfaltet wie die Schönheit einer elegischen Landschaft. Die Jahreszeit ist egal, doch die Tageszeit dürfte die Dämmerung sein. Die Konturen bilden hierbei die stets indietronischen Beats und Gitarren, zurückhaltende Synthies zeichnen die Flächen, hinzu kommen hübsche Details wie die Vokalreihen-Samples, die in den Beat von „Doubt“ eingeflochten wurden. Und über allem, unvermeidlich, die meist mehrstimmig eingesungene, melodische Stimme von James Cook.
Außer meinem persönlichen Lieblingstrack, „This Momentary“, der mit besonders atmosphärischer Dichte in seinen Bann zieht, sind noch einige andere markante Punkte zu erwähnen. So bildet der Titeltrack eine Art instrumentalen Ruhepol in der Mitte des Albums und ist mit fast neun Minuten darüber hinaus das längste Stück. „Halcyon“ hingegen beschert uns eine dezent technoide Indie-Hymne zum prima Mitsingen. Und „Ephemera“ schließlich ist ein kurzes Innehalten vor dem siebenminütigen Schlusspunkt, dessen Vocals viel klarer und näher sind als beim oft hypnotisch fernen Gesang der anderen Stücke. Dieser letzte Track heißt „Remain“ – und das ist für Delphic hoffentlich programmatisch gemeint: Verweilet nur, doch bleibt nicht stehen. Wenn dies der Anfang eures Weges ist, kommen wir doch gerne ein Stück mit.
Hier eine kleine Preview des Albums:
[podcast]http://www.bln.fm/media/audio/previews/20100123_imfokus_delphic.mp3[/podcast]
Tracklist
- Clarion Call
- Doubt
- This Momentary
- Red Lights
- Acolyte
- Halcyon
- Submission
- Counterpoint
- Ephemera
- Remain