20 Jahre Mauerfall bedeutet 20 Jahre Techno. Das haben wir letztes Jahr gelernt und gefeiert. Ein Jahr drauf, 1990, herrscht Gründungsfieber in Berlin. Im Durcheinander der Auflösung der Deutschen Demokratischen Republik und der Wiedervereinigung entdecken Johnny Stieler, Dimitri Hegemann und Mitstreiter die bisher weggeschlossenen Bereiche der Stadt. Es herrscht grenzenlose Euphorie: alles geht – „Probieren wir es aus!“. Die Räume werden besetzt, Anlagen aufgestellt und die elektronische Tanzmusik laut gedreht: die Behörden schauen einfach zu, weil sie keine Gründe finden, um den jungen, kreativen und friedlichen Leuten das Feiern zu verbieten. So entstanden in Ost-Berlin Tacheles, WMF, E-Werk und auch der Tresor, der als „Vatikan des Techno“ in Berlin der 1990er das war, was 2010 das Berghain ist. Anfang der 1990er explodierte die Szene förmlich: der Tresor war mit der richtigen Musik zur richtigen Zeit am richtigen Ort (Mark Andrawis).
In der Dokumentation „subberlin“ von Tilman Künzel erinnert sich die erste Berliner Techno-Generation an die aufregende Gründerzeit des Tresors und schwelgt nostalgisch in Erinnerungen an die bunten Tage der ersten Love Parade. Der Film ist eine echte Fleißarbeit seitens des Filmteams, welches nicht nur Unmengen von Archivmaterial, Videos und Fotos, aufgetrieben hat, sondern über die Jahre auch eine respektable Auswahl von prominenten und nicht so bekannten Protagonisten der 1990er vor das Mikrofon geholt hat. Dimitri Hegemann und Johnny Stieler erzählen von der Gründung inmitten der Aufbruchsatmosphäre Anfang der 1990er. Managerin Regina Baer berichtet von den Sorgen hinter den Kulissen und dem Stress mit den Behörden. Zahlreiche DJs wie Sven Väth, Jeff Mills und Chris Liebing geben hübsche Anekdoten zum besten: DJs legten mit Sauerstoffflaschen auf, weil im Tresor-Keller aufgrund fehlender Lüftung das Atmen schwer fiel. DJs weigerten sich, ihre Platten auszupacken, weil der von der Decke tropfender Schweiß die edlen Plattencover zerstören könnte. Die Bässe der Analge waren so krass, dass beim Betreten des Tresors die Haare geföhnt wurden. Produzenten aus Detroit berichten, wie es dazu kam, dass gerade aus dem Keller in Ost-Berlin ihr rauer 4/4-Techno-Sound seinen Siegeszug um die Welt antrat.
Gäste und das Tresor-Personal, vom Chef, Lichttechniker bis hin zur herzlich-proletigen Garderobenfrau, geben Statements ab: es liegt dabei in der Natur dieses filmischen Nachrufs, dass die Passagen in ihrer Breite die Legende abfeiern. Sich wiederholendes Bedeutungsgeschwurbel bleibt da nicht aus. Es fällt kein böses Wort der Protagonisten untereinander: so bleibt der Tresor als lustig-kreativer Friede-Freude-Eierkuchen-Haufen im Streit gegen dummen Behörden und Bauhaie in Erinnerung. Vielleicht wäre es schön gewesen, auch mal die Meinung eines Vertreters der Stadt Berlin statt die ewig gleichen Plattitüden von Loveparade-Gründer DJ Motte zu hören. Auf den ersten Blick erstaunlich ist auch, dass der „zweite“ Tresor in der Köpenicker Strasse keine Erwähnung mehr findet. Den Grund liefert schließlich ein namenlos bleibender Tresor-Fan inmitten der bewegenden Bilder von Schließung des alten Standorts: „Wenn der Tresor zumacht, dann ist auch für mich mein Partyleben vorbei.“ Der Film ist ein schönes Stück Erinnerung daran.
Subberlin (2008), Dokumentarfilm von Tilman Künzel