Das Ende ist sicher, aber noch nicht in Sicht: Der Flughafen „Otto Lilienthal“ in Tegel wird schließen, wahrscheinlich einige Jahre oder Monate nach 2017, nachdem endlich der Flughafen BER in Schönefeld eröffnet. Damit werden 5 Quadratkilometer Fläche frei. Und Berlin kann bestimmen, was damit passieren soll! Das trifft sich gut, denn in Berlin fehlen immer mehr Wohnungen. In der Innenstadt gibt’s nicht mehr so viel Platz für Neubau.
Also warum nicht Wohnungen auf dem Flugfeld in Tegel bauen, wenn dort keine Flugzeuge mehr starten? Doch der Senat plant anderes.
Seit 2008 diskutierte die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung in mehreren „Standortkonferenzen“ mit Experten und Interessierten, was aus Tegel werden soll. Planungsteams arbeiteten in „Werkstattverfahren“ konkrete Vorschläge aus. Ergebnis: Die Geschäftsleute, die gerade noch vom Flughafen Tegel starten und landen, sollen bleiben. Denn die Hälfte des Flughafengeländes wird ein Gewerbepark für urbane Zukunftstechnologien. Dort sollen sich Unternehmen und Forschungsinstitute ansiedeln, die sich mit Energie, Mobilität, Wasser und Recycling beschäftigen.
In der Tegeler „Urban Tech Republic“ sollen sich bis zu 800 Unternehmen niederlassen, die über 15.000 Menschen beschäftigen. Gibt es schon Interessenten dafür? BLN.FM hörte sich um, doch niemand konnte namentlich Unternehmen nennen, die am Standort Tegel interessiert sind. Derzeit ist der Standort viel zu unsicher, weil niemand den genauen Zeitpunkt weiß, wann der Flughafen schließt. Sicher ist dagegen, dass die Beuth-Hochschule für Technik mit fast 5.000 Studierenden auf den ehemaligen Flughafen umzieht. Auch Feuerwehr und Rettungsdienst wollen in den großen Hallen in Tegel trainieren.
Urban Tech Republic und „Flugfeld für alle“ statt Wohnungsbau
Die andere Hälfte des Flughafengeländes soll wie in Tempelhof frei und naturbelassen bleiben und für Freizeit und Erholung genutzt werden. Wohnungen sind derzeit nur auf einem kleinen Zipfel im Osten des Geländes geplant. Im „Kurt-Schumacher-Quartier“ können 5.000 Wohnungen entstehen. Falls es Olympia 2024 in Berlin geben wird, soll dort erstmal das Olympische Dorf gebaut werden, später können dann auch Nicht-Sportler einziehen. Tegel ist also nicht als Lösung vorgesehen für die wachsende Knappheit von Wohnraum in den nächsten Jahren.
Warum plant der Senat ein Riesen-Gewerbegebiet statt Wohnungen?
Eigentlich gibt es in Berlin genug Industrieparks: in Adlershof, Pankow und Marzahn. Warum nutzt der Senat nicht die Möglichkeit, das Berliner Wohnungsproblem zu lösen? Ein Sprecher des Senats für Stadtentwicklung verteidigt die Planungen gegenüber BLN.FM damit, dass Berlin auch Arbeitsplätze braucht. Deshalb seien die Flächen für die Ansiedlung von Unternehmen so wichtig. In Adlershof seien nach 20 Jahren Entwicklung kaum noch Flächen verfügbar. Dabei wachse die Nachfrage von Unternehmen stetig.
Wäre bei einem großen Gelände wie dem Flughafen Tegel nicht Platz für beides – Wirtschaft und Wohnungen?
Martin Lambert (CDU), in Berlin-Reinickendorf zuständig für Stadtentwicklung, erklärt es BLN.FM so: Wo Industrie und Wohnen aufeinander treffen, entstehen Nutzungskonflikte zwischen Bewohnern und Unternehmen. Lieferverkehr und Produktionslärm schaffen Potential für Streit zwischen Nachbarn. Solche Auseinandersetzungen gehen meist zugunsten von Anwohnern aus. Schlecht für Unternehmen, die rund um die Uhr und flexibel agieren wollen. In Tegel sollen die Unternehmen freie Hand bekommen, ohne von nervigen Auflagen und klagenden Bewohnern gestört zu werden.
Lambert hält sogar die 5.000 Wohneinheiten, die der Senat plant, für zuviel. „Je stärker man das Wohnen auf die Flächen lässt, desto größer sind die potentiellen Probleme“. Nur 1.000 Wohneinheiten seien realistisch. „Alles darüber hinaus bringt auch soziale Konflikte mit sich“. Denn wo viele Menschen hinziehen, müssen auch Kindergärten, Altenheime, Supermärkte gebaut werden. Davon gibt es am Flughafen Tegel noch nichts.
(Foto: Andreas Schiebel, mit freundlicher Genehmigung Tegel Projekt GmbH / Karte: Flächennutzungsplan Berlin 2015, Bearbeitung BLN.FM)