2014 scheint es dem Vinyl gut zu gehen wie schon lange nicht mehr. So sagt es zumindest die Statistik. Wie The Vinyl Factory am 9. Dezember berichtete, stiegen auf dem britischen Markt die LP-Verkäufe bis Ende 2014 um 54 Prozent, was einem Verkauf von 1,2 Millionen Alben entspricht. Mit „nur“ 38 Prozent Wachstum, dafür aber stolzen 8,2 Millionen verkauften Alben, rechnen die USA in diesem Jahr.Damit ist das Vinyl zwar noch weit entfernt von seinem historischen Höchstwert von 1978: Damals wurden 64 Millionen Platten verkauft.
Und in Deutschland? Schon seit einigen Jahren ist die Schallplatte auch hier wieder auf dem Vormarsch. So verzeichnet der Bundesverband Musikindustrie im Jahrbuch 2013 einen Umsatzanstieg auf 29 Millionen Euro. Das ist eine Steigerung von 47,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Aktuellere Daten konnten derzeit weder die Musikindustrie noch angefragte Händler wie Saturn liefern.
Diese Tendenz ist auch in England erkennbar. Mit zwei Prozent Marktanteil sei die Prognose für 2014 so hoch wie zuletzt vor 20 Jahren, schreibt The Vinyl Factory. Zwar bleibt Vinyl damit nach wie vor ein Nischenprodukt, dennoch ist ein Aufwärtstrend in Richtung der Verkaufsspitzenwerte aus den 70ern klar erkennbar. Vinyl gepaart mit Download-Codes umschifft den Entscheidungszwang beim Plattenkauf. Wieso ein Revival kein Strohfeuer bedeuten muss, erklärt Jörg Hahn – Geschäftsführer des Mediendienstleisters optimal media – im Interview mit dem Bundesverband Musikindustrie: „Vinyl entspricht dem gegenwärtigen Zeitgeist, dem Trend zu Analogem und Traditionellem, qualitativ hochwertig und aufwendig gefertigt“, heißt es dort.
Vom Vorreiter-Medium zum Nostalgie-Objekt
Techno und elektronische Musik spielen hierbei keine große Rolle. Das dürfte vor allem am digitalen Trend und der DJ-Kultur liegen, die immer mehr ausdünnt, wie BLN.FM auf Nachfrage erfährt. „Es wird überwiegend mit Laptops, Controllern und Software wie Serato oder Traktor aufgelegt. Die Zeit, die man sich nimmt, um einen Mix vorzubereiten, nimmt ab. Letztendlich spielt es kaum noch eine Rolle, was der DJ da vorn überhaupt macht. Es werden viele Edits gespielt, so dass auf den Mix selbst keinen Wert mehr gelegt wird, sondern es fast wichtiger ist, wie man auf der Bühne aussieht und dass so viele Gigs wie möglich gespielt werden können“, erklärt Gordon Gieseking, Label- und Vertriebsmanager beim Hip-Hop-Spezialisten hhv.de. Zwar hätten sich die Verkaufszahlen vom starken Einbruch vor knapp fünf Jahren wieder erholt, dennoch spreche man hier immer von der Vergangenheit. „Diejenigen, die in diesem Geschäft arbeiten, wissen, dass diese Statistik-Zahlen aus dem Vorjahr regeneriert werden und somit nicht ganz mit der derzeitigen Situation übereinstimmen. Wir haben keinen Trend erlebt, nach dem sich die Vinylverkäufe sehr erhoben hätten“, sagt Gieseking.
Laut The Vinyl Factory stammen die meist verkauften Alben in England vor allem aus der Kategorie Indie und Rock. Den ersten Platz belegen die Arctic Monkeys mit ihrem Album „AM“, das im vergangenen Jahr auf Domino erschienen ist. „Indie, Rock und Indie-Electronic haben auch in Deutschland in den letzten vier Jahren stark zugenommen. Wahnsinnig viele Leute scheinen den Wunsch zu haben diese Platten wieder in Vinyl zu kaufen. Auch die Artworks haben sich stark geändert, sodass wir UV-Lack, farbiges Vinyl und Prägungen immer häufiger sehen“, erklärt Gieseking.
Ein Teil der Umsatzsteigerung ist vor allem auf Oldies zurückzuführen, die immer häufiger nachgepresst werden. Auf Platz fünf der im Jahr 2014 meist verkauften Langspieler in England siedeln sich Oasis mit ihrem Debütalbum „Definitely Maybe“ an, das in diesem Jahr anlässlich ihres 20. Jubiläums wiederveröffentlicht wurde. Diese waren auch am „Record Store Day“ heiß begehrt – und ließen Neuerscheinungen mit nur 46 Prozent Verkaufsanteil zurück. „Besonders beliebt sind Re-Issues von Platten aus den neunziger Jahren, wobei die Qualität sogar oft besser ist, weil meist ein neues Mastering gemacht und die Platte somit auf den neusten Stand gebracht wird.“, fügt Gieseking an.
Zwischen Wertanlage und Mode-Accessoire
Wieso aber zurück zum Alten? Eine mögliche Antwort könnte die Statistik zur Internet-Seite Discogs liefern, wo täglich etwa 5000 „gebrauchte“ Tonträger den Besitzer wechseln. Den Höchstpreis erzielte dort laut The Vinyl Factory ein Coil-Album aus dem Jahr 1987 für 1889 Dollar.
Größter Vinylhändler ist laut The Vinyl Factory der Marktriese Amazon, dicht gefolgt von Urban Outfitters, die neben Kleidung vor allem Lifestyle verkaufen. Zwischen Polaroidkameras und Kofferplattenspielern erfährt so auch Vinyl sein Revival. Erst jüngst erklärte das Unternehmen, es sei der weltgrößte Vinylhändler. Eine Aussage, die nach großem Aufschrei und unsicherem Kopfkratzen in der Musikindustrie schnell revidiert wurde. Dort wurden die Vinyl-Verkaufzahlen von Urban Outfitters als „Wal-Mart-ification of Music“ wahrgenommen, die unabhängige Plattenläden verdränge und das Fachwissen der Plattenverkäufer untergrabe.
Ob sich der Trend zu Vinyl allerdings auch in den nächsten Jahren fortsetzten wird, bleibt abzuwarten.