Berlin und Detroit sind spätestens seit Beginn der 1990er Jahre musikalisch eng miteinander verknüpft. Dimitri Hegemann, der 1991 den Tresor Club mit gleichnamigem Label ins Leben rief, prägte die musikalische Verbindung mit dem transatlantischen Gegenüber aus dem Underground Resistance-Umfeld. Zum Dank für die musikalische Entwicklungshilfe möchte Hegemann nun etwas zurückgeben. Als Mitglied der „Berlin-Detroit Connection“ und den Happy Locals versucht er genau das: Den Aufbau einer kulturellen Infrastruktur in anderen Städten. Damit wirkt er nicht nur der Abwanderung in Großstädten entgegen, sondern fördert gleichzeitig den Kulturbestand deutscher Städte – und nun auch den Detroits.
Als Henry Ford 1909 die Motor Company in Detroit errichtete, reihte er sich in eine neue Gründergeneration ein, die sich vor allem durch effiziente Fließbandproduktion im Industriestaat auszeichnete. Die Nachfrage nach Arbeitskräften war enorm, sodass 1910 knapp 70 Prozent der Einwohner Detroits Immigranten erster oder zweiter Generation waren. Ein Trend, der sich in den Folgejahren fortsetzte und die zu diesem Zeitpunkt bereits voranschreitende Ghettobildung weiter befeuerte. Die Industrialisierung machte schließlich Platz für den Dienstleistungssektor und musste durch die Auslagerung der Produktionsstätten ins Ausland allein in den 1970er Jahren knapp 40 Millionen Arbeitsplätze einbüßen. Der stetige Verfall der „Motown“ durch Abwanderung hinterließ eine fast ausgestorbene Stadt, die an Berliner Nachwendezeiten erinnert, auch wenn die enorme Kriminalitätsrate einen direkten Vergleich nicht zulässt. Dennoch ist Detroit seit jeher Vorreiter in Sachen Techno, was den Erhalt des Kulturbetriebs umso dringlicher macht.
Ein Video der Detroit Free Press zeigt Hegemann bei der Begehung der ehemaligen Autoteilefabrik „Fisher Body 21“, die er kaufen und nach Berliner Vorbild ausbauen will. „Du siehst Detroit, du fühlst Detroit“, erklärt er im Video. Den geplanten Ausbau sieht er dabei als weniger problematisch, erinnert die leerstehende Fabrik doch an die Gebäude, die es in Berlin nach dem Mauerfall zu füllen galt. Geplant sind ein gemeinnütziger Artspace und ein Club. Beide sollen nach und nach in dem sechsstöckigen Gebäude entstehen.
„Dieses Gebäude kann man einfach nicht niederbrennen“, sagt der Künstler und Fotograf Scott Hocking, als er Hegemann durch die asbestverseuchte Fabrik führt. Der einzige Fall des Stahlbetons sei Wasser, das sich in dem seit Jahren leerstehenden Gebäude gesammelt hat, da dieses das Metall zum Rosten bringen und damit die Statik des Gebäudes gefährden könne.
Wie die Detroit Free Press weiter schreibt, sind bereits mögliche Schwierigkeiten bei der Planung abzusehen: Beim sukzessiven Ausbau der Fabrik nach Etagen, der „one-room strategy“, könne es Ärger mit den Behörden geben, da die Inbetriebnahme des nicht fertig ausgebauten Gebäudes eine Gefahr für die Besucher darstellen könne. Zu rechtlichen Problemen könne es außerdem beim Ausschank von Alkohol kommen, da dieser nur bis 2 Uhr nachts gestattet ist. Auf den Vorschlag eines alkoholfreien Afterhour-Clubs reagiert Hegemann wenig begeistert: „I must say that as a European, (that) won’t work.“
Kulturimperialismus möchte Hegemann jedoch nicht betreiben. Ziel ist es Detroit für Touristen, vor allem aber für Ansässige wieder attraktiver zu machen und der Kultur- und Kunstentwicklung einen neuen Raum zu geben.
(Foto: Screenshot Video Detroit Free Press)