Den großen Knall gab es schon 2011, als Lamb nach sieben Jahren Trennung plötzlich wieder auftauchten und ein neues Album veröffentlichten. Damals lag sowohl berufliche als auch private Entfremdung hinter ihnen – also mussten sich Lou Rhodes und Andy Barlow erst einmal wieder einander annähern und einen neuen Weg finden, miteinander zu arbeiten. Seitdem sind weitere drei Jahre vergangen. Mit „Backspace Unwind“ ist nun ihr sechster Longplayer erschienen. Und der klingt, als würde aus zwei Hälften langsam wieder ein Ganzes werden.
Doch was für ein Ganzes ist das? Sicher nicht mehr das Wilde, Unsichere, Hungrige und irgendwie Bipolare, für das Lamb Ende der 1990er stand. Lou Rhodes‘ bittersüßer und bisweilen verstörender Gesang von damals ist längst einem pastellfarbenen „Larifari-Songwriting“ gewichen; die Beats und Arrangements von Andy Barlow klingen zwar wesentlich stimmiger und souveräner als noch auf dem Vorgänger „5“, doch fehlt ihnen überwiegend der Biss, um Eindruck zu hinterlassen.
So gibt es in den zehn neuen Stücken viel Piano zu hören, diverse Leftfield-Synthies, einige hübsch pumpende Bässe (etwa im Titeltrack), einen vielversprechenden Drum ’n‘ Bass-Aufbau, der dann doch zu keinem Höhepunkt kommt („What Makes Us Human“), eine Art vielstimmiges Wiegenlied („Only Your Skin“) sowie einige wenige Streicher und E-Gitarren. Fast jedes Stück fängt vielversprechend an – aber dann fehlt es immer an etwas. Vielleicht an Dramaturgie oder an kompositorischen Ideen, vielleicht auch an Mut. Nirgends sind die Kontraste stark, die beiden Pole Beats und Stimme tänzeln umeinander, statt sich zu battlen. Alles glänzt und schimmert hübsch, verglüht dann aber wie eine Sternschnuppe. Ein bisschen erinnert das an „Between Darkness And Wonder“, das 2004er-Album kurz vor dem Bruch, das auch schon gesetzter und manchmal zu harmonisch klang.
Überhaupt ist Harmonie die Aussage, die man zwischen den Zeilen auch aus „Backspace Unwind“ rauslesen könnte. Nach Irrungen und Wirrungen haben Lou Rhodes und Andy Barlow offenbar in den vertrauten Hafen zurückgefunden und sich für Lamb entschieden. Doch oft bedeutet vertraut eben auch saturiert und etwas langweilig. Vom Underground haben sich die beiden „Mid-Ager“ (Lou Rhodes ist gerade 50 geworden) jedenfalls verabschiedet. Statt dessen hört man ihnen das Streben nach Ausgeglichenheit an.
Fazit: „Backspace Unwind“ klingt trotz aller Kritik eindeutig nach Lamb. Wenn auch die Musik milder geworden ist, so ist doch die Einheit der beiden Hälften wieder da. Somit der Kern dessen, was das stilprägende Duo stets ausmachte. Und das ist doch eigentlich, was wir uns gewünscht haben.
(Foto: Promo)