Sons of Magdalene – Traumwandeln zwischen Retropop und Hightech

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Drei großartige Alben mit verhuschter Experimental-Elektronik konnte das Duo Telefon Tel Aviv der Welt schenken, bevor im Januar 2009 mit dem Tod von Charles W. Cooper III. das Projekt sein abruptes Ende fand. Jetzt, gut fünf Jahre später, meldet sich die verbliebene Hälfte von Telefon Tel Aviv zurück. Joshua Eustis alias Sons Of Magdalene veröffentlicht sein Debütalbum „Move To Pain“. Erwartet uns eine ehrenvolle Fortsetzung des Bandprojekts oder der komplette Neustart als Solokünstler?

som_art_040714Bereits 2007 begann Joshua Eustis an „Move To Pain“ zu arbeiten. Zu dieser Zeit musste er sich mit der Krebserkrankung seines Vaters auseinandersetzen. Der Albumtitel, Songnamen wie „O, Death“ oder „Bitter Soliloquy“ und die Melancholie, die immer wieder in den Tracks durchschimmert, sind daher gerade nach dem Tod des Bandkollegen mehr als nachvollziehbar. Es ist zu spüren, dass Eustis seinen Gefühlen freien Lauf lässt. Weniger als bei Telefon Tel Aviv kümmert er sich um die Perfektion der Tracks – wenn’s um den authentische Ausdruck von Emotionen geht, dann darf auch ruhig der ein oder andere Gesangston etwas schief klingen. Der rückwärtsgewandte Blick auf das eigene Ich erklärt auch den Aufbau des Albums: Es teilt sich grob in zwei Teile auf – Erinnerung und Gegenwart.

In der einen Hälfte überzeugt Sons Of Magdalene mit extrem dicht gebastelten 1980er-Synthiepop. So trumpft das großartige „Can’t Won’t Don’t Want To“ mit einem Gesangspart auf, der an a-has „The Sun Always Shines On TV“ erinnern. Perfektes 80er-Jahre-Feeling. Die andere Hälfte der Tracks lässt sich nicht so leicht in eine Schublade packen. In ihnen steckt schon eher die Experimentierfreude älterer Titel von Eustis Projekt Telefon Tel Aviv. „The Whip“ ist ein schlichter, moderner und etwas düsterer Techhouse-Track, der auch im Club gut funktioniert. Anderes ist eher Futter für die Kopfhörer: „Unfortunate Phonecall“ hält mit penetranten Dissonanzen den Moment fest, wenn man eine schlimmen Nachrichten per Telefon bekommt – und wie vor den Kopf gestossen ist. „O, Death“ ist ein ruhiges Electronica-Stück, das mit seinem gedämpften Stimmeinsatz dem Gefühl der Trauer perfekt Ausdruck gibt.

Als Sons of Magdalene hat Joshua Eustis nicht versucht, eine Art Telefon Tel Aviv 2.0 zu schaffen. Stattdessen macht er sein eigenes Ding, das zwischen Retromania und modernen Experimenten etwas unentschlossen hin und her pendelt. Insgesamt ist „Move To Pain“ deshalb die lange Entstehungszeit von sieben Jahren durchaus anzumerken – ein musikalisches Gesamtkonzept fehlt. Aber vielleicht ist das nur folgerichtig, wenn es Eustin darum ging, sehr persönliche Erlebnisse und Momente zu verarbeiten. Gefühle lassen sich eben nicht in musikalische Schubladen stopfen, Emotionen nicht zwangsläufig ordnen und sortieren. Das ist der Preis für Authenzität.

https://soundcloud.com/factmag/sets/sons-of-magdalene-move-to-pain

(Audraglint)