Am letzten Juni-Wochenende ist es wieder soweit: zum Festival „48 Stunden Neukölln“ öffnen zahlreiche Ateliers und Kunsträume ihre Türen und stellen die Arbeiten von mehr als 300 Künstlern aus, die ihre Gedanken zum Thema „Courage“ in Videos und Bildern, Ausstellungen und Geschichten umsetzen. BLN.FM hat eine kleine Vorauswahl für euch getroffen und das Interessanteste rausgesucht.
Russische Aktivisten dokumentieren ihre Aktionen
Ein Riesenpimmel auf einer der berühmten Brücken St. Petersburgs, die nächtlich hochgezogen werden – das ist das Werk von Voina , einem russischen Künstlerkollektiv. Vor vier Jahren sprühten Mitglieder von Voina innerhalb von 30 Sekunden einen 65m großen Penis auf eine Zugbrücke direkt gegenüber vom Büro des russischen Geheimdienstes. Der Name der verdeckt agierenden Gruppe ist das russische Wort für „Krieg“. Den hat das Künstlerkollektiv den autoritären und korrupten Behörden von Putins Rußland erklärt. Durch öffentliche Provokationen artikulieren sie den Protest gegen das konsumistisches Trübsal und Anpassertum in ihrem Heimatland. Wie viele andere Kunst-Aktivisten in Russland werden die meisten Mitglieder von Voina polizeilich gesucht. „48 Stunden Neukölln“ hat Videos von Aktionen des Kollektivs zusammengetragen.
28. und 29. Juni, ab 12:00 Uhr, W25 – Temporäre Galerie im Grünen Bürger*innenbüro, Wipperstr. 25, Neukölln, S-Bahn Neukölln
Tausendundeinenacht beim unbekannten Nachbarn
Schon mal im Vorbeigehen durch die Fenster anderer Leute geschaut, um zu sehen wie die so leben? Was einige heimlich tun, geht bei „48 Stunden Neukölln“ ganz offiziell. Und statt heimlich-verschämt in fremde Zimmer zu blinzeln, lädt das Festival ein bei einigen Neuköllner verschiedener Herkunft ganz offiziell auf deren heimischen Sofa Probe zu sitzen. Dabei kann man Märchen und Geschichten aus deren Heimat lauschen. Für Kulturinteressierte oder schlichtweg neugierige Leute.
„Geschichten in fremden Wohnzimmern“, 28. und 29. Juni – jeweils von 15 Uhr bis 16 Uhr und von 17 Uhr bis 18 Uhr, Treffpunkt: Café Stern, Falkstr. 24, Neukölln, U-Bahn: Boddinstraße
Schwarz-weiss und analog unter obdachlosen Frauen
Die Fotografin Undine Hradil ging bei Nan Goldin in die Lehre. Ihre dokumentarischen Fotografien sind meist Porträts von Menschen in schwierigen Lebensumständen. Schon in den 1990er Jahren fotografierte sie auf Kuba und in einem Heim für Asylbewerbende in Deutschland. Bei“48 Stunden Neukölln“ zeigt sie Porträts von obdachlosen Frauen in Berlin. Dabei arbeitete sie ausschließlich in schwarz-weiß und analog. Neben Undine Hradils Fotografien zeigt das CBS Rixdorf auch noch Gemälde von Party-Sänger Frank Zander, der sich seit Jahren für Obdachlose engagiert.
„Love Courage Love„, Freitag 27. Juni 19:00 Eröffnung, 28. und 29. Juni jeweils ab 10 Uhr, CBS Rixdorf, Richardplatz 7 , Neukölln, U-Bahn: Karl-Marx-Strasse
Neuköllner Putzfrauen-Tragödie im Solo
In Berlins Arbeitervierteln herrschten Anfang des 20. Jahrhunderts Zustände wie in den Slums der Mega-Metropolen dieser Welt. Gerhard Hauptmann, Star-Dramatiker dieser Zeit, hielt eine krasse Elendsgeschichte in seinem Theaterstück „Die Ratten“ fest. Die kinderlose Putzfrau Henriette kauft dem unverheirateten, schwangeren Dienstmädchen Pauline ihr Baby ab. Als die Mutter ihr Kind zurückhaben möchte, versucht Henriette ihr stattdessen das Kind einer Drogensüchtigen unterzujubeln. Doch das Kleine stirbt – und in der Folge kommt es zu Totschlag und Selbsttötung. Starker Tobak, den der Schauspieler Recardo Koppe als ein einstündiges Theater-Solo interpretiert.
„Die Ratten in Neukölln„, 27. und 28. Juni 22 Uhr, Kreativraum im Körnerpark, Schierker Str. 8, S-Bahn: Neukölln
Das komplette Programm
Das komplette Programm findet ihr auf der „48 Stunden Neukölln“-Webseite. Dort zu finden ist auch ein Merkzettel. Mit dem könnt ihr Veranstaltungen notieren und hinterher auf einer Karte übersichtlich anzeigen. Bei der Vielzahl von Veranstaltungsorten ein echter Vorteil!
„48 Stunden Neukölln“, 27.–29. Juni 2014, Eintritt: frei, bis auf wenige einzelne Events
(Fotos: Alex Plutser-Sarno (CC BY–NC–ND), Heinrich Peter Drenseck (CC BY-SA-3.0), Theresa Henning)