Ein Bassist, ein Drummer, ein Gitarrist – in dieser klassischen Indieband-Besetzung spielt das österreichische Trio Elektro Guzzi. Doch zu hören gibt es keine fröhlichen Pop-Songs für die nächste Mobilfunkanbieter-Werbung, sondern analogen Techno. Zu Hause auf dem Berliner Label macro, veröffentlicht die Kombo nur ihr drittes Album „Observatory“. Funktioniert der „Hand-Made Techno“-Ansatz noch genauso gut wie auf den Vorgängerplatten?
Lediglich acht Tracks umfasst „Observatory“, dabei bleibt nur einer unter fünf Minuten. Allein diese Tracklängen machen deutlich, dass es Elektro Guzzi nicht darum geht, Tanzflächen-Füller abzuliefern, die man vier Minuten abfeiert, um dann zum nächsten Song weiterzuhetzen. Stattdessen lautet Elektro Guzzis Kredo: Komplexe Strukturen basteln, sich Zeit und Raum nehmen, alles bis zur Perfektion aufbauen und dennoch nichts überladen. So schaffen es Elektro Guzzi innerhalb eines Tracks, Geschichten zu entwickeln, wie es manche Künstler auf ganzen Alben nicht schaffen. Zum Beispiel „Trojan Robot“: Über knapp sieben Minuten Spielzeit mausert sich der schlichte Technobeat über diverse Ups and Downs zu einem dichten, trippigen Sound mit Acid House-Einschlag.
Die Mensch-Maschine einmal anders
„Trojan Robot“ verweist mit seinem Tracknamen gleichzeitig darauf, dass mehr hinter der Musik steckt: Das Trojanische Pferd ist nicht nur eine Hülle, in der sich mehr verbirgt, als es zunächst den Anschein hat. Es ist auch die Metapher für einen vermeintlichen Sieg, der in Wirklichkeit den Untergang bedeutet. Elektro Guzzi verbinden diese Metapher mit ihrem gespaltenen Verhältnis zu dem Digitalen, zu den Maschinen, die die Machtverhältnisse immer weiter umkehren. Waren sie anfangs Mittel zum Zweck, das Werkzeug, das dem Musikschaffenden mehr Spielraum und Unabhängigkeit gab, so sind sie heute die Bestimmer, die inzwischen die Klangästhetik des Tanzmusik-Mainstreams diktieren. Der Trojanische Roboter, das so nett anmutende Geschenk, entpuppt sich mehr und mehr als fieser Virus. Die Reaktion von Elektro Guzzi auf diesen Konflikt ist Techno, der nicht wirklich elektronisch ist. Das Video zur Vorabsingle „Acid Camouflage“ variiert das Thema noch ein wenig. Dort spielen tot wirkende Plastikmenschen die Hauptrolle. Menschen, die wie Automaten sind, untermalen die menschelnde, lebendige Maschinenmusik des Trios.
Ein wenig abseits der Techno-Pfade bewegt sich „Undulata“: Der Track ist wie geschaffen für Open Airs und tendiert gegen Ende zum Afterhour-House, wie man ihn sonst von Solomuns Label Diynamic kennt. Er bleibt jedoch eine Ausnahme: Gleich danach folgt mit „Atlas“ das komplette Kontrastprogramm in Form eines drumlastigen, entschleunigten Synthiemonsters. Mit Disharmonien als Grundgerüst bauen damit Elektro Guzzi eine wahre Sound-Dystopie.
In seiner willkommenen Vielfalt beweisen Elektro Guzzi mit „Observatory“, dass Hand-Made Techno seine Möglichkeiten noch lange nicht ausgeschöpft hat. Das Album bietet damit ein perfektes Gegenargument für alle Techno-Hater, die 2014 immer noch behaupten, dass elektronische Tanzmusik „kalt und leblos“ sei.
(Foto: (c) Klaus Pichler)