Ja, das fällt jetzt leicht, gleich zu Anfang „Altherrenmusik“ zu schreiben und damit „Someday World“ direkt zu disqualifizieren. Brian Eno ist gerade 66 Jahre alt geworden, Karl Hyde 57. Es fällt umgekehrt aber auch leicht, das erste gemeinsame Album von Eno & Hyde zu überhöhen – schließlich sind beide Vorreiter der elektronischen Musik.
Enos Diskographie ist seitenlang und voller Meilensteine: 1971 gründete er Roxy Music mit, danach arbeitete er mit kommerziellen Pop-Stars wie David Bowie, U2 und Coldplay, aber auch mit Klangpionieren wie John Cale und Hans-Joachim Roedelius. Vor 40 Jahren erfand er quasi Ambient und Mitte der 1990er komponierte er die Startmelodie von Windows 95. Und vieles andere mehr. Brian Eno ist also unbestreitbar eine Legende, ebenso Karl Hyde: dieser ist seit 1988 Mitglied von Underworld und lieh seine eindringliche Stimme „Born Slippy“, einem der wichtigsten Clubtracks der 1990er.
Doch was machen diese beiden nun zusammen in den neun Stücken von „Someday World“? Sind dort zwei Frührentner auf der Suche nach dem Neuen? Oder vereinigen sich endlich geniale Geister, die einander gesucht haben? Die Antwort ist: weder noch. In der Tat wartet das Album mit einigen eigenwilligen Klängen auf, wie man es von Musikern erwartet, die immer wieder mit überraschenden, verqueren Ideen ganze Stile geprägt haben. Dabei wirkt es nicht so, als liefen sie dem hinterher, was ihre Enkel heute so machen. Keine Dubstep-Imitation, kein James-Blake-Hall, keine Garage-Beats – dafür synthetische Blechbläser, entspannte Klänge aus der Soundbibliothek „Afrika“ und mehrstimmiger Harmoniegesang hörbar gealterter Stimmen. Genial ist das jetzt nicht – aber immerhin frei von stilistischen Einschränkungen selbst ausgedacht.
Als komponierten sie für die Eröffnungsshow eines Clubkultur-Museums
Beim Hören des ziemlich homogenen Albums dämmert daher die Ahnung, dass Eno und Hyde nach bestem Wissen und Gewissen versucht haben, so etwas wie zeitlose Musik zu machen, losgelöst von kurzlebigen Trends. An sich ist das keine schlechte Idee, die auch nicht falsch umgesetzt wurde. Das Problem daran ist, dass dem Ergebnis eines solchen Vorhabens immer auch etwas zahnloses, familienkompatibles anhaftet. Deshalb klingt „Someday World“ wie der Soundtrack zur nachmittäglichen Eröffnungsshow eines Museums für Clubkultur der 80er und 90er – inklusive Tanzchoreographie und bunten Wasserfontänen. Damit hat Karl Hyde Erfahrung, denn Underworld waren 2012 musikalische Leiter der Olympiaeröffnung in London. Erst stehen die Herren an den Keyboards, später lassen sie sich neben ihren Wachsfiguren im Obergeschoss fotografieren.
Wenn die zwei Legenden gemeinsam Musik produzieren, so hinterlässt diese Schnittmenge leider doch einen recht altbackenen und abgestandenen Eindruck – aber auch einen versöhnlichen. Die Musik ist ja trotzdem „ganz nett“, wie eine vertonte Hangover-Kaffeestunde bei Oma nach durchfeierter Nacht. Bei „Man Wakes Up“ etwa darf Hyde seinen Trademark-Sprechgesang auspacken und die Radiosingle „Daddy’s Car“ profitiert ebenso von seinem leicht verstrahlten Afterhour-Gesang wie der ähnliche Track „Who Rings The Bell“. Enos stückweise Transformation des Stücks „When I Built This World“ ist auch nicht knallhart uninteressant. Also was soll’s – die beiden hatten offenbar ihren Spaß, und vielleicht bildet dieses museale Album den Auftakt zu einem etwas gegenwärtigeren Alterswerk.
(Warp/Rough Trade)