HiPhone, Nckia oder Samsing – die Namen klingen wie Scherze, sind aber tatsächlich Markennamen. Was als Vorbilder für die kopierten Mobiltelefone dient, ist unschwer zu erkennen. Die im Westen oft als Fälschungen angesehenen Produkte machen in China einen ganzen Markt aus, der als „Shanzhai“ bezeichnet wird. Die Aneignung von Ideen anderer kann aber auch als Art „Open-Source“-Ökonomie verstanden werden, denn die Entwicklungen sind nicht lizenziert und können von jedem übernommen und verändert werden.
Das Prinzip von „Shanzhai“ wurde von einem Trio aus New York übernommen, das mit seinem Kunstprojekt „Shanzhai Biennial“ eine ganze Ausstellung imitiert. Gestellte Interviews, passend gestaltete Werbeflächen und eine Modelinie, auf deren Kleidung beispielsweise das Apple-Logo Platz findet, sollen den Eindruck von Echtheit erwecken. Als Teil einer Gruppenausstellung im New Yorker Museum of Modern Art im vergangenen Jahr planten sie einen Auftritt einer Sängerin in „Head & Shouldars“-Kleid, die in der Melodie von Sinéad O’Connors „Nothing Compares 2 U“ einen Text auf Mandarin sang. Ursprünglich sollte Fatima Al Qadiri die Musik – „billige, chinesische Musik“, wie sie in einem Interview für Thump sagte – dafür produzieren, als sie aber fertig damit war, entschied sich das Trio gegen das Stück. Vielleicht besser so, denn auf diese Weise kam die Produzentin auf die Idee zu ihrem Debütalbum „Asiatisch“.
Das Stück „Shanzhai (for Shanzhai Biennial)“, wie die „Fälschung“ des Pop-Überhits heißt, wurde verworfen, weil es nicht so klang, wie es sich das Trio vorgestellt hatte. Das konfrontierte die in Kuwait aufgewachsene 32-Jährige mit der Frage, was für ein Bild von China im Westen existiert und wo es herkommt. Zu Einflüssen zählen Martial Arts-Filme, Musik, Popkultur und nicht zuletzt Restaurants, die maßgeblich das Bild der „chinesischen“ Küche prägen. Die Botschaft von Fatima Al Qadiri ist so einleuchtend und einfach, dass wir sie im Alltag selten reflektieren: Wir haben ein Bild von Regionen und ihren Kulturen, auch oder gerade, wenn wir nie dort waren. Und das ist konstruiert und hat selten etwas mit der Realität zu tun.
Es ist nicht das erste Mal, dass die Produzentin mit ihrer Musik ein gesellschaftlich-kulturelles Thema aufgreift. Ihre EP „Desert Strike“, steht im Kontext mit der gleichnamigen Militäraktion der US-amerikanischen Streitkräfte im ersten Golfkrieg. Die in Kuwait aufgewachsene Al Qadiri lebt heute größtenteils in den USA und arbeitet neben ihren musikalischen Projekten wie ihr Alias Ayshay und Future Brown, eine Gruppe, die sie mit Nguzunguzu und J-Cush bildet, auch als Konzeptkünstlerin.
Bei der Musik auf ihrem Album „Asiatisch“ bleibt Al Qadiri ihrem minimalistischem Stil treu, der Clubmusiken wie Grime und Trap zerlegt und mit hyperkünstlichen, digitalen Klängen zusammenführt. Neben gebrochenen, schwerfälligen Beats und untergründig rumorenden Bässen kommen auf dem Album Klänge zum Einsatz, die reflektieren, was sich „chinesisch“ anhören kann. Dazu gehören Wortschnipsel in chinesischer Sprache (zumindest hört es sich für unwissende Ohren danach an), Klangmotive und Instrumente wie Flöten, Glocken oder Steeldrums. Ob diese Elemente als „chinesisch“ identifiziert werden, kommt auf die Hörer/innen an, auf das Bild, das sie von „asiatischer“ oder „chinesischer“ Musik haben. Für manche wird es auf der Hand liegen, wenn sie die Musik hören, für andere dagegen werden sich die Tracks nicht besonders unterschiedlich zu anderen Produktionen von Al Qadiri anhören. So oder so konfrontiert die Produzentin uns zusammen mit Albumtitel und -cover mit Vorstellungen von einer Kultur, die wie Folien über den Dingen liegen und liefert nebenbei Tracks, die mit jedem weiteren Hören wachsen und nicht nur theoretisch, sondern ganz praktisch überzeugen – ob „asiatisch“ oder nicht.
(„Asiatisch“ von Fatima Al Qadiri ist auf Hyperdub erschienen. Tracks von Fatima Al Qadiri hört ihr auf BLN.FM wochentags ab 22 Uhr und regelmäßig auf „Maximal Finckobot“.)
(Foto: Valeria Cheri)