Es ist ein Wochende wie jedes andere in einem Club mitten in Berlin. Es ist laut, die Tanzfläche voll, die Stimmung ausgelassen. Doch etwas ist anders – keine einzige Stimme ist zu hören: keine Wortfetzen, kein Lachen, kein Johlen. An der Bar bestellt ein Mädchen mit exakten Handbewegungen, der Barkeeper nickt. Auch andere Partygäste gestikulieren und nutzen ihre Mimik. Es ist eben doch keine ganz normale Party – es ist die „MayDeaf„, ein Rave für schwerhörige und taube Menschen. Wo sich auf herkömmlichen Partys alle gegenseitig ins Ohr brüllen, schaut man sich auf der MayDeaf ins Gesicht und unterhält sich mit Gebärdensprache.
Organisator Björn Blumeier aus Berlin (37) ist von Geburt an schwerhörig. Wie erleben Menschen Techno, die wenig oder nichts hören? „Die spüren fast alles. Wir machen nicht lauter, nur weil wir gehörlos sind.“ Manche können die Bässe gut spüren. Andere halten Luftballons in den Händen, um die Musik besserwahrzunehmen. Beim Tanzen versuchen sie den Takt zu halten, und das klappt so gut und so schlecht wie auf jeder anderen Party auch.
Die Idee für die MayDeaf kam dem Berliner 1999 auf der „MayDay“, als er unter den Ravern auf eine Gruppe Gehörloser traf: „Die haben getanzt, mit Händen geplaudert und dann hab ich gefragt, ob es Veranstaltungen für Gehörlose gibt.“ Gab’s nicht, sagten die – und so organisierte er mit seinem ebenfalls schwerhörigen Bruder Arne im Jahr 2000 die erste „MayDeaf“. Am 3. Mai 2014 treffen sich alle zur 14. Ausgabe – dieses Mal in Köln.
Aber warum braucht es eine Party nur für Gehörlose? „In Clubs gäbe es oft Missverständnisse und Zoff zwischen Hörenden und Schwerhörigen“, sagt uns Björn. Der eine verstehe schlicht den anderen nicht. Aber es gibt noch einen anderen Grund: „In der Disko ist es laut und dunkel, dann kann man mit Gebärdensprache gar nicht kommunizieren.“ Deswegen ist es auf der „MayDeaf“ heller. „Wir machen auch viel mit Videoleinwänden, damit die Gehörlosen gucken können.“ Und natürlich hätte es Vorteile „unter sich“ zu sein – Kontakte zu knüpfen und nicht ständig über die Gehörlosigkeit als Besonderheit sprechen zu müssen.
Im Interview erzählt MayDeaf-Gründer Björn Blumeier außerdem, warum Musik einfach für alle Menschen wichtig ist, egal ob sie hören oder nicht und warum es für ihn früher kein Problem war, mit seinen hörenden Freunden die Zeit zu verbringen.
Der gesamte Radiobeitrag in Textform für Gehörlose:
Eine ganz normale Party in einem Berliner Club. Es ist laut, voll, und an der Bar drängen sich die Durstigen. Aber etwas ist anders, denn ich höre keine einzige Stimme, keine Wortfetzen, kein Lachen, kein Johlen. Auch an der Bar brüllt niemand über die Theke um zu bestellen. Ein Mädchen zeigt dem Barkeeper mit exakten Handbewegungen an, was sie möchte. Der Barkeeper nickt. Auch andere Partygäste unterhalten sich durch Gestik und Mimik. Außer der Musik ist hier nichts zu hören. Eine ganz normale Party – für schwerhörige und taube Menschen, die die Gebärdensprache sprechen.
Björn Blumeier ist Organisator der „MayDeaf“, einer Technoparty für Hörgeschädigte. Statt die Musik zu hören, wird sie gespürt.
Björn Blumeier: „Die spüren die Musik in ihrem Körper. Ich habe mit verschiedenen Gehörlosen gesprochen. Wir haben Luftballons aufgeblasen, die haben die in den Händen gehalten. Und als wir den Bass weggedreht haben, dann hat man die Melodie gespürt. Das war sehr interessant für die Gehörlosen. Die spüren fast alles. Wir machen nicht lauter, nur weil wir gehörlos sind, sondern wir halten die Lautstärke auch für Hörende. Ich hab auch beobachtet, wie sie mit den Beinen zappeln und dem Takt folgen können. Die fühlen sich auch wohler. Die sind in einer Gruppe, können sich gegenseitig kennenlernen und eine neue Liebe finden.”
Die Idee zur „MayDeaf“ hatte Björn zusammen mit seinem Zwillingsbruder Arne. Das war 1999 auf der „MayDay”, sagt Björn.
Björn Blumeier: „Während 20.000 Menschen getanzt haben, habe ich drei gehörlose Menschen gesehen. Die haben getanzt, mit Händen geplaudert und dann hab ich gefragt, ob es Veranstaltungen für Gehörlose gibt. Die haben gesagt, es gibt sowas nicht. Und deswegen hab ich mit meinem Bruder Arne zusammen die „MayDeaf“ gegründet und die erste war im Jahr 2000.”
Von der „Mayday“ zur „MayDeaf“. Aber warum eine Party nur für Hörgeschädigte?
Björn Blumeier: „In einer Diskothek ist es laut, dunkel und es gibt viele bunte Lichter. Da kann man mit Gebärdensprache gar nicht kommunizieren. Deswegen machen wir eine andere Veranstaltung, die heller ist. Wir machen auch viel mit Videoleinwänden, damit die Gehörlosen gucken können.“
Es ist heller, aber auch sicherer.
Björn Blumeier: „Heutzutage muss man ein bisschen aufpassen. Weil wenn man mit Händen spricht in der Diskothek oder auf einem Konzert, da denken viele, was tun die hier? Die können doch gar keine Musik hören. Warum tanzen die einfach? Die werden einfach diskriminiert. Wenn es Probleme geben sollte, dann verstehen die dich auch falsch. Wenn ein Hörender sagt, `du hast mich geschubst`und der Gehörlose aber mit eigener Mimik sagt, `nein, es war nicht mit Absicht`, kann das der Hörende wiederum nicht verstehen.“
Missverständnisse und Berührungsängste gibt es also. Es gibt zwei Welten, sagt Björn, die der Hörenden und die der Nichthörenden. Als von Geburt an schwerhöriger, kennt er beide Welten.
Björn Blumeier: „Ich selber habe früher keine Probleme gehabt. Viele Leute haben mich so akzeptiert, wie ich bin. Viele zeigen auch Respekt gegenüber mir. Ich war oft mit hörenden Gruppen unterwegs. Wir gingen zusammen zur Diskothek, wir haben zusammen gefeiert, Sport gemacht, zusammen baden gegangen. Ich war oft im Ferienlager, wo ich und mein Bruder die einzigen waren, die hörgeschädigt sind.“
Mittlerweile betreiben Björn und Arne eine eigene Eventfirma. Neben der MayDeaf organisieren sie Miss-Wahlen und Tattoo-Conventions für Hörgeschädigte. Musik, und vor allem Techno, bleibt für Björn aber das wichtigste.
Björn Blumeier: „Ohne Musik gibt’s diese Welt gar nicht mehr. Alle brauchen Musik, egal, ob die hören können, oder nicht hören können.“
Die nächste „MayDeaf“ steigt am 3. Mai in Köln. 2015, zum 15jährigen Jubiläum, soll es das erste „MayDeaf“-Open Air geben.
Ende.