Die Welt des Disco-House schwebt momentan auf Wolke 7. Der Grund dafür? Das seit dem 2010er-Hit „Coma Cat“ heißersehnte Debütalbum „Glow“ von Tensnake, das in Magazinen und Blogs weltweit gefeiert wird. Zu Recht, bietet es doch facettenreichen, modernen House mit Nu Disco-Einschlag auf hohem Niveau. Aber wen bewundert der Bewunderte selbst?
Es ist niemand Geringeres als Todd Terje, der ihn unter anderem inspiriert – und der hat ebenfalls seit Kurzem nach Jahren des Schaffens sein erstes Album auf dem Markt. Spürt man den Einfluss des einen auf den anderen? Was haben die beiden Künstler außer der Vorliebe für das große T am Namensanfang und einem Faible für Nu Disco gemeinsam?
Todd Terjes Debütalbum „It’s Album Time“ enthält vier Songs aus früheren EPs – nicht verwunderlich, dass es zehn Jahre bis zum ersten Langspieler dauerte. Umso spannender ist es daher zu verfolgen, wo Terje musikalisch herkommt und wo es ihn offensichtlich hintreibt. Sein bekanntester Track „Inspector Norse“ aus dem Jahr 2012 bildet den Abschluss von „It’s Album Time“. Hier wird in sieben fantastischen Minuten klar, wieso der Norweger so beliebt ist: eine tanzbare, konsequent durchgezogene, aber nie langweilige Nu Disco-Nummer, die das Zeug zum zeitlosen Klassiker hat. In die ähnliche Richtung geht die 2013er-Single „Strandbar“, die den klassischen, pianolastigen Nu Disco-Sound repräsentiert. Spannender ist da „Svensk Sas“, das genau diesen Sound mit karibischen Klängen mixt – eine Mischung, über die man nicht hinweghören kann und so eines der Highlights des Albums bildet.
Auch Tensnake treibt es musikalisch auf die Insel – jedoch steht hier kein Karibikeiland, sondern vielmehr Ibiza im Fokus. Songs wie „Love Sublime“ spiegeln die Vorliebe des Hamburgers für Balearic House wieder und sind gleichzeitig ein Hinweis auf den größten Unterschied zwischen ihm und Todd Terje. Denn während Tensnake meistens nicht davor zurückscheut, sich den Pop-Normen hinzugeben, in Nummern wie „See Right Through“ wie eine frische Version von Oliver Koletzki & Fran zu klingen und damit nicht nur für eine elitäres Club-Publikum zu produzieren, scheint Todd Terje genau das zu fürchten.
Neben „Delorean Dynamite“, eine charmante Retronummer, die an ‚Zurück in die Zukunft‘ denken lässt, und „Johnny and Mary“, der Discoballade, die unter dem Einsatz von Bryan Ferrys Stimme zu einem grandiosen Werk wird, gibt es nichts, womit man sich spontan anfreunden könnte. „Leisure Suit Preben“ und „Preben Goes To Acapulco“ sind beispielweise eher unauffällige Hintergrundbeschallungen für den Büroalltag als wirkliche Hinhörer. Der abstrakte Ansatz, der hier in Richtung Chillout-Area abdriftet, lässt den Norweger schlechter dastehen, als er ist.
Das, was Tensnake für den ein oder anderen Genre-Puristen zu viel an Pop hat, fehlt Todd Terje an manchen Stellen, um das Album zu einem kommerziellen Erfolg zu machen. Andersrum gilt allerdings das Gleiche: Von Terjes künstlerischer Denke und Anti-Pop-Ästhetik könnte Tensnake sich eine Scheibe abschneiden, wenn er auch die Kritiker überzeugen wollte. Bis dahin werden sich die Fans von „It’s Album Time“ und „Glow“ trotz Genre-Überschneidung vermutlich nicht groß in die Quere kommen – und so sind am Ende alle irgendwie zufrieden.
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(Foto: © Christian Belgaux)