SOHN: Post-Dubstep-Erzählung statt Partybass

S O H N, von Christian Pitschl

Dass Künstler versuchen, ihre Identität geheim zu halten, scheint ein Gegemodell zum permanenten Online-Striptease vieler „digital natives“ zu sein. Auch SOHN geht diesen Weg. Der in Wien lebende Londoner geizt mit persönlichen Informationen, was dazu führt, dass nichts vom Wesentlichen ablenkt: der Musik, die er seit 2012 veröffentlicht. Und die kann sich hören lassen, denn nicht nur als Produzent für Durchstarter wie Banks oder mit Remixen von Sternchen wie Lana del Rey weiß SOHN zu überzeugen.

SOHN - Tremors (4ad)

 

Post-Dubstep und Future R’n’B sind die Spielfelder, auf denen sich SOHN für sein Debütalbum „Tremors“ (erscheint auf 4AD) gekonnt ausgetobt hat. Wirkt das Album in der ersten Hälfte noch etwas einförmig, nimmt das Ganze ab der Mitte gewaltig an Fahrt auf. Was alle Tracks eint: SOHNs Stimme bekommt sehr viel Raum. So wird schnell klar: Hier möchte jemand etwas erzählen, hier geht es nicht um schnell hingeworfene Partybeschallung. Exemplarisch stehen dafür „Bloodflows“ und „Veto“, zwei maximal entschleunigte Nummern. Hier spielen trotz komplexer Beats die Vocals ganz klar die Hauptrolle, wenn sie etwas klagend, aber sehr poetisch von unerwiderter, gescheiterter Liebe erzählen.

 

Zwei Referenzen drängen sich beim Hören von „Tremors“ förmlich auf. Der Titeltrack des Albums und die Single „Articfice“ erinnern fast schon penetrant an Jamie Woons „Mirrorwriting“ aus dem Jahr 2011. Der andere Fixpunkt ist James Blake. Mit „Paralysed“ zeigt SOHN, dass er, zumindest was Pianostücke betrifft, auf Augenhöhe mit dem britischen Überflieger steht: SOHN hat ebenso das Talent, aus Klavier- und Gewitterklängen eine Melancholie zu schaffen, in der man freiwillig versinkt. Auf Albumlänge wirkt der Post-Dubstep SOHNs sehr rund – ihm fehlt lediglich ein Schuss Mut und Experimentierfreude, um restlos zu begeistern.

 

(Foto: Christian Pitschl)