Poemss – Schlafwandeln auf Synthwolken

Poemss_by_Gwendolyn_Trutnau

Man will seinen Ohren nicht so recht glauben, wenn der erste Track losgeht: hat Aaron Funk, der als Venetian Snares tiefdüstere und bösartige Breakcore-Tracks zusammenzimmert, hier wirklich seine Finger im Spiel? Sanft und traumhaft zurückhaltend beginnt das Debütalbum des Duos Poemss, das Funk mit Joanne Pollock bildet.

Joanne Pollock ist noch weitestgehend unbekannt und hat seit 2012 nur ein paar vereinzelte Stücke auf ihrer Bandcamp-Seite hochgeladen. Aaron Funk dagegen ist schon ein alter Hase im Musikgeschäft. Unter Namen wie „Venetian Snares“ oder „Last Step“ veröffentlicht er seit Ende der 1990er Musik und hat mit Planet Mu ein etabliertes Label im Rücken. Zwar wohnen sowohl Pollock als auch Funk in Kanada, was aber dennoch nicht heißt, dass sie sich mal eben einfach zum Musik machen treffen können. Pollock wohnt in Toronto, Funk in Winnipeg. So hatte Pollock ungefähr 2000 Kilometer hinter sich zu bringen, um mit Funk im Studio seines Hauses an diesem Album zu arbeiten.

poemss-album-coverDer weite Weg hat sich aber gelohnt, denn „Poemss“ ist interessant anders geworden. Anders als die minimalistischen Elektronik-Songwriter-Stücke von Pollock, Aaron Funks Breakcore-Tracks als „Venetian Snares“ und auch anders als seine zahmen House-Tracks als „Last Step“. Im Zentrum der Musik des Duos stehen nicht die Drums, sondern Synthesizer und die Stimmen des Duos, die zusammen eine märchen- und traumhafte Atmosphäre erzeugen. Die beiden lassen den Stücken beim Arrangement viel Zeit, sich zu entwickeln und bewegen sich häufig außerhalb konventioneller Songstrukturen. Oft übernehmen sanfte Synths den Einstieg, bis nach und nach die von ihnen gelassenen Räume dann gewissenhaft und fast traumwandlerisch und angemessen vollgestellt werden, ohne dass die Musik zu verstopft wirkt. Als Instrumente funktionieren auch die Stimmen von Funk und Pollock, die sich in ihren Farben – Funk mit tiefem Bass, Pollock einige Tonstufen höher – so stark unterscheiden, dass sie sich gut ergänzen. Mal singen sie wortlose Melodien, mal Liebesversprechen oder surreale Texte, die sparsam eingesetzt auch zu einem Ohrwurm werden können und perfekt zur Stimmung der Musik zwischen Unheil, Zauber und Hoffnung passen.


Read full review of Poemss – Poemss on Boomkat.com ©

(„Poemss“ ist auf Planet Mu erschienen.)

(Foto: Gwendolyn Trutnau)