Wenn mal wieder kein Kleingeld zur Hand war oder der EC-Kartenslot des Fahrkartenautomaten vom Ticket-Verkäufer verstopft wurde, können sich Besitzer von Smartphones nicht mehr rausreden, wenn sie beim Schwarzfahren erwischt werden. Vor ein paar Wochen veröffentlichte die Berliner Verkehrsgesellschaft ihre eigene App. Damit läßt sich mit wenigen Klicks die Route mit den Öffentlichen planen und gleich der Fahrschein dazu kaufen – von der Kurzstrecke bis zur 72-Stunden-Karte für Touristen. Die BVG möchte dazu nur die persönlichen Kreditkarten-Daten oder die Bankverbindung, danach kann man ganz einfach per Mobiltelefon oder Pad das gewünschte Ticket und den Tarifbereich auswählen und losfahren, nachdem Standort und den Zeitpunkt angegeben wurden.
Die App bringt alles mit, was man von einem Fahrtenplaner erwartet. Man kann sich einen Überblick über alle Abfahrtszeiten an sämtlichen Haltestellen im näheren Umkreis anzeigen lassen. Dann berechnet das Programm, wie lang es bis zur nächstgelegenen Haltestelle dauert. Bei der Fahrplanung lassen sich einzelne Verkehrsmittel ausschließen und nur Direktverbindungen anzeigen. Mit den aktualisierten Netzplänen von Tram, U- und S-Bahn wird der Nutzer auch nicht von einer der Dauerbaustellen überrascht.
Nicht so clever: die App erkennt nicht automatisch, an welcher Haltestelle man sich befindet – die Abfahrtsstation muss bei jedem Ticketkauf mühsam per Hand eingegeben werden. Den Tarifbereich stellt die App hingegen automatisch ein, je nachdem welcher zuletzt ausgewählt wurde. Was eigentlich der Bequemlichkeit dient, kann dazu führen, dass man schnell aus Versehen das falsche Ticket zieht, wenn man die Tarifzone wechselt.
Bietet die BVG-App Schwarzfahrern einfachere Möglichkeiten sich eine „Beförderungsleistung“ zu erschleichen? BVG-Kontrolleure sind schon von weitem an Scannern zu erkennen, mit denen sie auch die regulären Fahrscheine checken. Die gespiegelten Oberflächen der Mobiltelefone machen das Scannen teilweise unmöglich. Nutzer könnten deshalb schnell einen Fahrschein kaufen, wenn sie die Kontrolleure am anderen Ende des Zuges zusteigen sehen. Denen können Kontrolleure auf die Schliche kommen, denn auf dem elektronischen Ticket ist die Startzeit vermerkt, ab der das Ticket gültig ist. Ein zu kurzer Zeitraum bis zur Kontrolle ist verdächtig. Wer beim Tippen in die App erwischt wird, der gilt den Kontrolleuren als Schwarzfahrer. Da ist eine gute Ausrede wichtig und eine stabile Internetverbindung um den Facebook-Kommentar zu zeigen, den man grade schrieb – oder man setzt lieber gleich auf die Initiative ticketteilen, wenn Wochenende oder nach 20 Uhr ist.
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(mit Tim Thaler, Alexander Koenitz / Foto: Kai La Quatra)