Schöne Frauen haben es nicht leicht. Obwohl ihnen die Welt (oder zumindest die Männer) zu Füßen liegt, werden sie in ihrer Arbeit oft nicht ernst genommen und immer wieder auf ihr Äußeres reduziert. Nina Kraviz kann davon ein Lied singen. Statt über ihre Musik zu berichten, liest man in „Underground“-Foren vorrangig über ihre Männergeschichten. Auf enorme Resonanz stieß 2013 die Frage, wie angebracht es für eine Produzentin sein könnte, für die „Home-Story“ einer Techno-Seite ein Bad zu nehmen. Dabei hat die sibirische DJ und Produzentin ordentliche Skills vorzuweisen. Ihre überlange EP „Mr. Jones“, die Ende November auf Radioslaves Label Rekids erschien, beweist das wieder einmal mehr.
„Mr Jones“ baut vielversprechend auf dem Erfolg des Debüt-Albums auf. Für Nina Kraviz funktioniert der Einsatz ihrer eigenen Stimme weiterhin als sinnliches Stilmittel. Und natürlich klingt es sexy, wenn in einer Tonspur eine rauchige Frauenstimme in russischem Akzent von „Desire“ spricht. Das ist aber auch nur eine Facette der Produzentin.
Ninas Zusammenarbeit mit Detroit-Mastermind Luke Hess für „Remember“ mündet beispielsweise in einem druckvoll-perkussiv aufgebauten Stück, das eher bedrückt als verführt. Auf „Black White“ folgt einem Gespräch über Austern, das zu wirren Assoziationen führt, ein klug mit melodischen Elementen durchkreuzter Afrobeat. Zum Abschluss überrascht „Sheer“ durch die Kombination einer eindringlichen Kickdrum mit verschrobenen Whistleklängen.
Die EP enthält somit gewohnt guten Stoff von Nina Kraviz, der mit einer erstaunlichen Bandbreite aufwartet. Offen bleibt nur, ob ein Bad für die Kameras und das Image als „It-Girl“ nicht eigentlich von dem ablenken, was Nina Kraviz kann – oder ob sie damit Vorbild für postfeministische Frauen ist, welche die akademischen Debatten der letzten 20 Jahre bewußt ignorieren.
(Rekids)
(Foto: flickr ruairi drayne (CC BY-NC-ND 2.0))