Sägen die Kreuzberger an dem Ast auf dem Sie sitzen? Auslöser für die Diskussion sind Pläne, zwei neue Hotels direkt in der Oranienstraße entstehen zulassen. Dietmar Müller-Elmau, Betreiber des Schlosshotels Elmau, plant ein altes Kaufhaus direkt am Oranienplatz in eine Unterkunft mit 100 Betten umzubauen. Es solle weder ein Hostel werden noch ein Fünf-Sterne-Hotel, sagt Müller-Elmau der taz. Am anderen Ende der Straße soll ein Autohaus einem weiteren Hotel weichen. Im Gebäude des ehemaligen Clubs S.K. Robinson, einem Neubau aus den 1970ern, hat erst kürzlich ein Hotel eröffnet.
Der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg will solche „Bettenburgen“ künftig verhindern. Neue Hotels sollen nicht mehr genehmigt werden. Für diese beiden Hotels mitten im „alternativen“ Kiez kamen diese Bemühungen zu spät. „Die Baugenehmigungen waren bereits erteilt gewesen“, sagt Baustadtrat Hans Panhoff (Grüne) der taz.
Touristen abzocken, aber unter Berlinern über sie lästern
Es ist kein Geheimnis, dass Touristen in den Szenekiezen der Stadt nie sonderlich beliebt waren. Aufkleber zeugen von Kampagnen, die ihnen deutlich machen sollen, dass sie nicht erwünscht sind. BLN.FM wollte mal die Geschäftsleute der Oranienstraße befragen, was sie über die neuen Hotels in ihrer Nachbarschaft denken – schließlich könnte das noch mehr Kundschaft in ihre Geschäfte spülen. Die Bedienung des Spätis gegenüber dem SO36, über Jahrzehnte Saal für Punkkonzerte, zuckte nur gelangweilt mit den Schultern und blieb die Antwort schuldig. In einer Bar nebenan sagte der Mann hinter der Theke nur: „Dazu will man nichts sagen“. Aus einem anderen Lokal wurde man nach der Frage unfreundlich rausgeschmissen.
Es ist so, als würde man in der Oranienstraße ein Tabu ansprechen. Es wird gemauert, wenn es um das Thema „Touristen“ geht. Dabei verkaufen die Läden der Oranienstraße Souvenire. Die Bars und Imbissläden sind voll mit Gästen aus aller Welt, die das „raue“ Berlin kennenlernen wollen. An denen verdienen die Kreuzberger gut, gleichzeitig ist es ihnen wichtig auf vermeintlich wohlhabende Touristen als Vorhut des Kapitalismus herabzuschauen. Manche Eingangstüren der Läden in der Oranienstraße zeigen unfreiwillig diesen Widerspruch, auf den die Nutznießer der „Touristification“ des Alternativkiezes lieber nicht angesprochen werden wollen.
(Foto: Kai la Quatra)