Der Prinz der Dunkelheit wird er genannt, als Star der französischen Elektroszene gefeiert. Man sagte ihm nach, er habe den Techno neu erfunden und das noch bevor sein Debütalbum überhaupt erschienen war. Gesaffelstein steht zur Zeit im Zentrum eines massiven Hypes. Auf seinem Erstlingswerk „Aleph“ nutzt er die Gunst der Stunde und präsentiert 14 Tracks, die sich weder einem einheitlichen Genre zuordnen lassen noch nach einer nachvollziehbaren Dramaturgie angeordnet sind. Kurz: Gesaffelstein macht, was er will. Das kann er sich aufgrund des Geweses, das gerade um ihn gemacht wird, auch leisten.
Die Karriere des Franzosen nahm seit 2007 unter der Obhut des Produzenten Michael Amato alias The Hacker Formen an. Damals war französische Tanzmusik der Sound der Stunde; Labels wie Ed Banger oder Kitsuné bestimmten Trend und Takt. Doch weil ihre Interpretationen von House und Techno für die europäischen Tastemaker immer eine Spur zu sehr nach Pop klangen, ebbte der Hype schnell wieder ab.
Gesaffelstein scheint sich nie für Trends wie diese interessiert zu haben – und dennoch wuchs seine Popularität unaufhörlich. Jüngere Zusammenarbeiten mit Kanye West sowie Remixe für Lana Del Rey und Depeche Mode erweiterten nach und nach sein Publikum. Nachdem er bereits auf kleineren Labels wie Tigas Turbo und Brodinskis Bromance veröffentlichte, erscheint sein Debütalbum nun auf dem Major-Label Parlophone.
Größenwahnsinniger Sound, großkotziger Alarm
„Aleph“ ist hebräisch für „Alpha“ und steht für „Anführer“. Da lässt einer eindeutige Ansprüche verlauten. Gesaffelstein co-produzierte zuvor Kanye Wests Album mit ähnlich größenwahnsinnigem Titel („Yeezus“). Vielleicht färbte ein wenig der großkotzigen Hiphop-Attitüde auf ihn ab – sein Sound war aber davor schon breit.
Auf seinen vorangegangenen EPs kreierte Gesaffelstein mit Sirenen, Hall und Lautsprecherdurchsagen einen punktgenauen, durch Effekte markierten Alarm. Vor allem live wirkt das unheimlich mitreißend. Dementsprechend erwartbar bombastisch kündigt der erste Albumtrack „Out of Line“ mit dumpfen Percussions, verhallten Stimmeffekten und durchdringenden Gongs ein Spektakel an. Was dann folgt ist ein chaotischer Mix aus überfordernd-technoider Roheit und ruhigeren Stücken, die in einem scheinbar beliebigen Intervall zwischengestreut werden. Dabei hat Gesaffelstein Überraschungen in petto! „Hellifornia“ wartet plötzlich mit einem Trap-Beat auf. Der Produzent entzieht Sirenen und Claps völlig dem gewohnten Kontext. Was zunächst verwirrt, funktioniert final merkwürdigerweise: am Ende steht ein Track, der Hiphop-Schemata nutzt und wie ein endloser Drop wirkt. Zum Abschluss des Albums zügelt Gesaffelstein das Tempo merklich. Klavierklänge, schleppende Hi-Hats und sphärische Synthmelodien formen experimentellere Klanglandschaften.
Alle, die ein treibendes Gesaffelstein-Set in Albumlänge erwartet hatten, dürften von dem Debütalbum enttäuscht sein. Denn „Aleph“ weitete die größenwahnsinnige Klang-Ästhetik auf benachbarte Genres aus, statt sich rein auf die Tanzfläche zu konzentrieren. Doch auch wenn damit sein Repertoire merklich ausfranst, so bleibt die Handschrift von Gesaffelstein auf „Aleph“ erkennbar. Und an der gab es schon zuvor wenig zu perfektionieren.
(Foto: Passetti/flickr (CC BY-NC-ND 3.0))