Blutrünstige Kannibalen, eiskalte Psychopathen, pädophile Verbrecher – Grausamkeit und Perversion faszinieren und lassen die Verkaufszahlen von Zeitungen, Büchern, Filmen und Computerspielen in die Höhe schnellen. Dabei lehnen wir doch als brave Menschen reale Gewalt ab. Mittels Gewaltstories in den Medien können wir allerdings verdrängte Aggressionen ausleben und uns dem Voyeurismus ungestört hingeben. Schließlich ist die Vorstellung seltsam anziehend, die Ungerechtigkeit der Welt mit dem Maschinengewehr niederzuballern oder sich für fiese Demütigungen mit Quälereien an Unschuldigen zu rächen.
Die Berliner Sophiensaelen widmen sich vom 24. bis 26.10.2013 dem Phänomen und nähern sich dem voyeuristischen Blutdurst der Zuschauenden mit dem Mitteln des modernen Theaters. Die Inszenierung „Infame Perspektiven“ führt uns vor, wie zwei Kindsmörder ticken. Im Zentrum der Geschichte steht ein Ehepaar, das seine beiden Kinder in einem Hotelzimmer umbrachte. Der schaurige Fall ereignete sich 1999 in Belgien.
Wenn Vater und Mutter ihre eigenen Kinder töten, dann ist es für die meisten Menschen komplett unverständlich und verabscheuungswürdig. Die Schauspieler versuchen, uns die Welt aus der Sicht der mordenden Eltern zu zeigen. Können wir Verständnis für ihre Tat aufbringen, mit ihnen fühlen und uns am Ende sogar mit ihnen identifizieren? Die Theaterproduktion verwendet Aufzeichnungen eines Experiments im Frühjahr 2013, bei dem sich Freiwillige in die Rolle der Eltern versetzten.
Neben einer Installation, die zum Selbstversuch am Original-Experiment einlädt, organisiert das Institut für Künstlerische Forschung ein dreitägiges Symposium, bei dem prominente Psychiater, Kriminologen und Literaturwissenschaftler über Ego-Shooter, die Täterperspektive in Andreas Veiels Film „Der Kick“ oder den Nazi-Verbrecher Klaus Barbie sprechen. Das komplette Programm des Symposiums findet ihr auf den Seiten der Sophiensaele.
„Infame Perspektiven“, Premiere am 24.10., weitere Aufführungen am 25. und 26.10. um 20:30 Uhr, Symposium: 25.10. ab 14 Uhr, 26.10., 27.10.: ab 10 Uhr
Sophiensaele, Sophienstraße 18, Berlin-Mitte, U-Bahn: Weinmeisterstraße, S-Bahn: Hackescher Markt, Tickets: 14 € (ermäßigt: 9 €)