GEMA und Clubs werkeln an „Reform“

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Im April 2013 kassierte das Patent- und Markenamt die „Tarifreform“ der GEMA, mit der die Verwertungsgesellschaft mehr Geld von Clubs und Diskotheken einsammeln wollte. Stattdessen präsentierte das Amt einen eigenen Vorschlag, der jetzt zwischen GEMA und Musikveranstaltern verhandelt wird. Ein Ergebnis scheint jedoch bereits fest zu stehen: die Musik für Partys und Clubs wird teurer. Im Interview mit BLN.FM sagt uns Lorenz Schmid, Bezirksdirektor der GEMA, worüber jetzt überhaupt noch verhandelt wird. Außerdem verrät er, wann die GEMA es endlich schafft, die Musikstücke, die in Berliner Clubs gespielt werden, einzeln zu erfassen und abzurechnen.

BLN.FM: Hallo GEMA, wie sieht’s denn aus? Wann werden die Clubs mehr zahlen müssen?

Lorenz Schmid: Derzeit verhandeln wir mit der Bundesvereinigung der Musikveranstalter über den Einigungsvorschlag der Schiedsstelle vom Patentamt. Dieser Einigungsvorschlag muss an der einen oder anderen Stelle aus Sicht der Verhandlungspartner angepasst werden. Mit anderen Verbänden verhandeln wir derzeit nicht über diesen Einigungsvorschlag aber sprechen über dessen mögliche Auswirkungen. Bis Mitte Oktober 2013 wollen wir zu Ergebnissen kommen. Dann wissen wir auch, ob wir in einen Gesamtvertrag mit der Bundesvereinigung der Musikveranstalter hineinkommen oder ob wir vor das Oberlandesgericht gehen müssen. Gemeinsames Ziel von Veranstaltern und GEMA ist es derzeit ohne Gericht zu einer Vereinbarung zu gelangen.

BLN.FM: Welche Regelungen werden genau geändert?

Lorenz Schmid: Das ist im Moment noch völlig offen. Für die GEMA ist wichtig, dass die Vergütungen im Diskothekenbereich auch linear mit Größe, Besucherzahl, Häufigkeit und Dauer einer Veranstaltung steigen. Für die Veranstalter sind 15 Punkte sehr wichtig, in denen der Vorschlag der Schiedsstelle angepasst werden soll. Darüber verhandeln wir im Moment. Wir sind jedoch zuversichtlich, dass wir zu einem Gesamtvertrag kommen werden.

„Clubs müssen sich darauf einstellen, dass die Vergütungen für Urheberrechte, die sie in Anspruch nehmen, höher werden.“

BLN.FM: Was kommt auf die Clubs zu?

Lorenz Schmid: Clubs und Diskotheken waren bisher beim GEMA-Vergütungsmodell am stärksten privilegiert. Diese Bevorzugung wird über mehrere Jahre abgebaut werden. Das heißt: Clubs müssen sich darauf einstellen, dass die Vergütungen für Urheberrechte, die sie in Anspruch nehmen, höher werden. Bei Clubräumen, mit einer Fläche von mehr als 100 Quadratmetern verdoppelt sich die Vergütung nach dem Einigungsvorschlag der Schiedsstelle. Der berücksichtigt nun erstmals Eintrittsgelder im Diskothekenbereich, jedoch in einer sehr stark pauschalierten Form. Im günstigsten Fall wird von einem Eintrittspreis von 6 Euro ausgegangen, für jede weitere 3 Euro Eintritt steigert sich der Tarif. Die Zahl der Veranstaltungstage wird hingegen differenzierter betrachtet als bisher: statt nur 2 Kategorien gibt es hier nach der Schiedsstelle nun 4 Kategorien – je nach Öffnungstagen im Monat. Die Erhöhung tritt nicht von heute auf morgen ein sondern erfolgt über einen Zeitraum von mehreren Jahren, damit die Veranstalter sich auf die Veränderungen einstellen können. Genau darüber verhandeln wir jetzt.

BLN.FM: Bisher gab es genug Schlupflöcher, so dass Clubs ihre Besucherzahlen nach unten „korrigierten“. Kontrolliert werden konnte das ja nicht.

Lorenz Schmid: Die Vergütungssätze, wie sie die Schiedsstelle vorgeschlagen hat, orientieren sich weiterhin nach der Größe der Räume in Quadratmetern. Weil diese Quadratmeterfläche eindeutig festzustellen ist und relativ unveränderbar, statisch bleibt, kann man da kaum schummeln. Die Messung geht dabei von Wand zu Wand, es sei denn der Raum wird verkleinert und abgetrennt.

BLN.FM: Wie sieht es aus mit Sonderkonditionen für unkommerzielle Veranstaltungen oder solchen Events, wo gar keine GEMA-Musik gespielt wird?

Lorenz Schmid: Eine exakte Berücksichtigung von Sonderveranstaltungen – welche jedoch zu definieren wären – wäre möglich gewesen in der Tarifstruktur, wie wir sie im letzten Jahr vorgesehen hatten. Dort wäre jede Veranstaltung einzeln für sich bewertet worden. Mit dem Einigungsvorschlag der Schiedsstelle sieht das aber anders aus: Jetzt sprechen wir über pauschale Vergütungssätze, das heißt: auch wenn ein Club zehn mal im Monat geöffnet ist, braucht er nach der derzeitigen Struktur die Lizenz von bis zu zwölf Öffnungstagen. Ob er jetzt dabei eine oder zwei Veranstaltungen durchführt, in der GEMA-freie Musik gespielt wird, spielt tariflich gesehen keine Rolle mehr.

BLN.FM: Wie ist es denn mit der DJ-Abgabe – bleibt die noch parallel bestehen?

Lorenz Schmidt: Der Vervielfältigungstarif für DJs „VR-Ö“ ist unabhängig davon zu sehen. In dem Moment, wo Vervielfältigungen vorgenommen werden, muss derjenige, der Tracks vervielfältigt, und das ist meist der DJ, die Vervielfältigungsrechte erwerben. Das sind pauschal 50 Euro für 500 Vervielfältigungen oder 13 Cent pro vervielfältigtem Track, wenn er einzeln abrechnet.

BLN.FM: Aber wird dann nicht doppelt gezahlt?

Lorenz Schmid: Das doppelt gezahlt wird, ist nicht ganz richtig, denn es handelt sich hierbei um zwei verschiedene Rechte. Für die öffentliche Wiedergabe werden GEMA-Vergütungen fällig – das ist das „Wiedergaberecht“, das hier lizenziert wird. Das zahlt in der Regel der Veranstalter. Für die Kopie auf einen Datenträger wird hingegen eine andere Vergütung fällig, die derjenige zahlt, der vervielfältigt – in der Regel der DJ. Er zahlt für die „Vervielfältigung“ zum Zweck der öffentlichen Wiedergabe.

„Die Kosten für eine trackgenaue Abrechnung sind alles andere als gering… Wir würden vollkommen ins Absurde hinein laufen, wenn wir mehr Kosten produzieren würden, als wir zur Verteilung übrig hätten.“

BLN.FM: Wenn wir bei elektronischer Musik sind, dann gibt es das Problem, dass Produzenten von Underground-Musik kaum Geld von der GEMA sehen. Wie will das die GEMA ändern?

Lorenz Schmid: Hier sind wir unter anderem mit der LiveKomm im Gespräch hinsichtlich einer auf den Track genauen Abrechnung. Das ist kein einfaches Themengebiet. Die Einnahmen im Diskotheken- und Clubbereich sind auf der einen Seite überschaubar gering, aber die Kosten für eine trackgenaue Abrechnung sind alles andere als gering. Das heißt: da muss sehr viel investiert werden, wenn man wirklich auf eine auf den Track genaue Abrechnung kommen will. Hier muss man sehr genau hinschauen, ob die Kosten am Schluss nicht höher sind, als das Geld, was zu Verteilung ansteht. Wir würden vollkommen ins Absurde hinein laufen, wenn wir mehr Kosten produzieren würden, als wir zur Verteilung übrig hätten. Wir müssen jetzt schauen, welche technischen Konzepte wir mit der LiveKomm zusammen erarbeiten können. Dann müssen wir die Umsetzung auch danach bewerten, wie viel es kostet. Anschließend muss es in die Versammlung der GEMA-Mitglieder hinein, die dann darüber entscheiden. Dann erst können wir in die konkrete Umsetzung gehen. Das ist mit Sicherheit nichts was zum 1.1.2014 kommen wird. Könnte Ende 2014 werden.

BLN.FM-Fazit

Die Positionen im GEMA-Tarifstreit sind unverändert. Die GEMA will von Clubs und Diskotheken mehr Geld. Und sie wird es wohl auch bekommen. Derzeit sitzt sie mit dem Verband der Musikveranstalter, einer Unterabteilung im Hotel- und Gaststättenverband dehoga, zusammen. Der Verband hat eher wenig mit Berliner Clubs wie Berghain, Watergate und Ritter Butzke zu tun, die Ergebnisse dienen dennoch als Vorbild für spätere Verträge, welche die GEMA abschließen will. Im Oktober 2013 soll sich entscheiden, ob die Streitparteien vor Gericht ziehen.

Ziel der GEMA ist es nach wie vor, die Tarife so zu reformieren, dass die Summe, die Veranstalter zahlen, besser mit den tatsächlichen Besucherzahlen und dem Umsatz durch Eintrittsgelder übereinstimmt. Natürlich wollen ihre Verhandlungsgegner die Preise drücken. Interessen von Clubs, die sich selbst als Kulturvermittler verstehen, spielen dabei nur eine geringe Rolle. Denn diese Clubs, die in der LiveMusikKommission organisiert sind, handeln nicht die aktuellen Tarife aus. Das Verhandlungsergebnis – so es eines geben sollte und der Streit nicht vor Gericht weiter geht – könnte somit ähnlich unbefriedigend für die Clubs ausfallen wie die Regelungen zuvor. So werden auch nicht-kommerzielle Benefiz-Partys bei der Höhe der zu zahlenden Pauschalen nicht berücksichtigt – selbst für die GEMA ein Rückschritt zum „Reform“-Vorschlag 2012.

Eine faire Entlohnung der Produzenten für Underground-Musik setzt voraus, dass die Tracks, die in Clubs gespielt werden, auf den Track genau erfasst und abgerechnet werden. Zwar signalisiert die GEMA hier Gesprächsbereitschaft, aber die Betriebswirtschaftler kalkulieren, dass sich teure Investitionen in Datenbanken und technische Geräte von vielen Millionen Euro für den verhältnismäßig kleinen Sektor der Clubs nicht rentieren. Sollte dennoch die faire Entlohnung von Musikern erfolgen, dann müssten sich die in der GEMA organisierten Musiker und Verlage selbst für diese betriebswirtschaftlich schwierige Lösung entscheiden. Ob sie dazu bereit sind?

(Tim Thaler, Alexander Koenitz, Lukas Boehnke, Katharina Rein)