Mutti-Republik Deutschland: Wie geht’s weiter?

grossekoalition wahl 2013

Wird es eine große Koalition geben?

Hohe Wahrscheinlichkeit. Der große Vorteil: Stabile Verhältnisse! CDU und SPD stellen sowohl die Mehrheit in Bundestag als auch Bundesrat. Alle Inszenierungen davor dienen dazu, während der Verhandlungen besser starten zu können. Angela wird also nach den Verhandlungen weiter durchregieren. In den grundsätzlichen Fragen bezüglich Eurokrise und Armutsverwaltung in Deutschland sind sich CDU und SPD sowieso einig. Die Grünen hingegen nerven konservative CSU-Politiker mit ihren gesellschaftspolitischen Ansichten zu Homo-Ehe – da wird sich ein Bündnis der Wählerschaft beider Parteien schwer vermitteln lassen.

Wird es einen verbindlichen Mindestlohn geben?

Hohe Wahrscheinlichkeit. Gibt’s eine große Koalition, wird sich die SPD da durchsetzen können. 8,50€ pro Stunde bundesweit sind auch viel einfacher zu verkaufen als das CDU-Gewurstel mit „branchenspezifischen Mindestlöhnen“, die zwischen Gewerkschaften und Unternehmen ausgehandelt werden sollen. Die CDU kann nun auch ein bisschen flexibler agieren, denn sie ist ja die FDP los. Der SPD wird es wichtig sein, dass das Thema endlich von der Tagesordnung verschwindet. Ansonsten hat die Opposition in den nächsten vier Jahren viel Futter – und die SPD segelt unter 20 Prozent.

Kommt endlich die Gleichstellung homosexueller Partnerschaften?

Eher unwahrscheinlich, dass mehr getan wird als das Bundesverfassungsgericht zwingend verlangt. Dafür sind die homophoben, konservativen Stimmen in der Union zu stark. Dazu sind die Homosexuellenrechte im Vergleich zu Sozialpolitik wie Betreuungsgeld und Kindergärten der SPD auch nicht wichtig genug. Hier werden sich die Parteien einigen: die „Herdpremie“ wird nicht kassiert, sonst läuft die CSU Amok – gleichzeitig gibt es auch mehr Unterstützung für arbeitende Eltern und wiedermal ein bisschen mehr Kindergeld. So können Konservative in der CDU überzeugt werden, dass Mutti ihren „moralischen Kompass“ für die Papa-Mama-Kind-Familie nicht verloren hat, gleichzeitig können mehr Eltern arbeiten – da freuen sich die deutschen Unternehmen.

Werden die Liberalen in der Versenkung verschwinden?

Unwahrscheinlich – die Frage ist, unter welchen Namen sie wieder auftauchen werden. Die FDP wird zerfallen oder sich in den nächsten Jahren „radikal erneuern“. Dabei werden wohl marktliberale Euro-Kritiker wesentlich stärker den Ton angeben, die damit um das Personal und die Wählerschaft werben, die wenig Lust auf einige der seltsamen Gestalten haben, die derzeit bei der „Alternative für Deutschland“ herumschwimmen. Es kann aber auch andersherum kommen. Die AfD könnte versuchen, aus den Resten der FDP eine marktfreundliche Alternative rechts der CDU zu formieren, die gleichzeitig stark kulturkämpferisch westeuropäische „Werte“ vertritt. Wählerpotential ist vorhanden, der Einzug in den Bundestag 2017 sehr wahrscheinlich, wenn sich das Personal einigt und die rechtsliberale Partei Querulanten los wird. Für solche Fälle könnten sich die Linksliberalen in der FDP schon mal um eine „Anschlussverwendung“ kümmern.

Wird es die Piraten noch als Bundespartei geben?

Ja, aber bei den Piraten ist es offen, ob die Partei abseits einer Kerntruppe auf Bundesebene weiter machen wird. Gerade dürften einige Piraten festgestellt haben, dass zwischen der Eigenwahrnehmung auf twitter und der Realität enorme Lücken klaffen. „Don’t trust your own filter bubble!“ Ein Teil des Piraten-Personals dürfte verstärkt in Versuchung geraten, wichtige Expertise auch in andere liberale oder linke Parteien einzubringen – vielleicht weil sie dann zum ersten Mal auch mal ein Parteiprogramm anderer Parteien gelesen haben. Doppelmitgliedschaften sind ja zumindest bei den Piraten erlaubt.

Wird Griechenland im Euro gehalten?

Wahrscheinlich. Auf jeden Fall wird Angela Merkel weiter die harte Zuchtmeisterin für europäische Krisenländer sein, die Einsparungen werden jedoch zumindest rhetorisch mit zusätzlichen Fördermaßnahmen ergänzt, wie sie die Sozialdemokraten vorschlagen. Dank der breiten Regierungsmehrheit kann Merkel dabei einige Abweichler in den eigenen Reihen in Kauf nehmen. Die scheinbar „alternativlose“ Krisenpolitik muss aber ein bisschen sozialer angestrichen werden, weil in Griechenland die Arbeitslosenquote und die extremen Parteien wachsen. Gleichzeitig muss der „Basta“-Mentalität der maulenden Steuerzahler und der Bild-Zeitung entsprochen werden, denn die Anti-Griechenland-Protestpartei „Alternative für Deutschland“ könnte bei der Europawahl viele Stimmen holen. Der Grund für Merkels Politik: der Verbleib Griechenlands in der Euro-Zone nutzt Deutschland mehr als er schadet. Teile Südeuropas werden zu stabilen Regionen, in denen flächendeckend Niedriglöhne gezahlt werden. Gleichzeitig werden qualifizierte Arbeitskräfte in die reichen Länder der EU importiert – deutschen Unternehmen als potentiellen Investoren hier wie dort kann’s nur recht sein.

Wird die Linke weiter schrumpfen?

Wahrscheinlich. Aber grundsätzlich gibt es mittlerweile eine stabile Anhängerschaft, die nichts mehr mit den alten Genossen zu tun hat, welche die Mauer bewachten. Muss die SPD in der Regierung zu viele Kompromisse mit der CDU schließen, kann ihr die Linkspartei mit Kritik zu Niedriglöhnen und „alternativloser“ Euro-Rettungspolitik Anhänger abjagen. Deshalb wird auch in den nächsten vier Jahren viel um „soziale Gerechtigkeit“ gestritten – von der keiner weiter weiß, was das konkret bedeutet. Dieser Druck von links wird auch die mächtige CDU dazu nötigen, auf soziale Forderungen der SPD einzugehen. Die Linkspartei hingegen wird sich weiter „regierungsfähig“ reformieren und als „letzte soziale Partei“ profilieren. Ob sich unter diesen Umständen ein rot-rot-grünes Zukunftsprojekt entwerfen lässt, ist fraglich – es sei denn, die Unterschiede zu einer jetzigen Regierung sind marginal. Aber vielleicht gibt es ja dann ab 2017 8,80 € Mindestlohn!

Werden die Grünen wieder radikaldemokratisch?

Unwahrscheinlich. Denn die Grünen sind mittlerweile in der Mitte angekommen und gehen weiter in Richtung liberale Ökowellness-Partei. Zentrale Schwierigkeit: Nachdem Angela Merkel den Grünen mit ihrem Ausstieg aus der Atomkraft einen zentralen Programmpunkt genommen hat, sind die Grünen auf der Suche nach ihrem neuem Kernthema. Ob sie nach dem PR-Desaster um den „Veggie-Day“ „gutes Essen“ und Massentierhaltung nochmals thematisieren werden? Eher werden sie weiterhin radikaler auf Bürgerrechte und die Gleichstellung von Homosexuellen setzen und die konservative Zuwanderungspolitik der Bundesregierung kritisieren. Am Ende könnten die Grünen noch flexibler als heutzutage sein sein: 2017 können sie mit allen großen Parteien, auch mit der CDU. Die Chancen auf Regierungsbeteiligung werden dann groß sein – denn unter einer Koalition aus CDU und SPD werden wichtige gesellschaftspolitische Reformen vertagt.

Hat die SPD 2017 eine Chance endlich mal wieder den Bundeskanzler zu stellen?

Sehr unwahrscheinlich. Die Sozialdemokraten sind nur zu bemitleiden. Eigentlich wollen sie ja nicht mit Angela Merkel koalieren. Aber für etwas anderes reichen die Stimmen nicht, oder die Alternativen sind schlimmer für die SPD. Denn wenn sie es darauf ankommen lassen, die Bundestagswahl wiederholen zu lassen, werden sie weiter abstürzen. Wenn sie in der Opposition mit der Linkspartei konkurrieren müssen – dann gibt es zwischen beiden Parteien Abgrenzungsschwierigkeiten. Aber auch wie sie sich innerhalb einer Koalition der erstickenden Umarmung von Angela Merkel entziehen können – darauf wissen die Sozialdemokraten derzeit keine Antwort.

Wie sieht das Kanzlerduell 2017 aus?

Derzeit: Ursula von der Leyen vs. Hannelore Kraft. Die Mutti-Republik geht in eine neue Runde.

(Es spekulieren Lukas Boehnke und Alexander Koenitz)