Eine junge Frau steht in Stumpfhosen und Spitzenunterwäsche auf nackten Fließen neben einer alten Couch, im Hintergrund ist eine kahle Wand. Das lange Haar fällt ihr über die Schultern. Das Gesicht ist abgeschnitten.
Das Foto ist Teil der Ausstellung „Jenny Jenny“, die noch bis zum 30. September 2013 in der Berlinischen Galerie zu sehen ist. Für knapp 40 Abbildungen fotografierte Tobias Zielony Berlinerinnen, von denen einige als Prostituierte arbeiten. Zielony begleitete die Frauen über mehrere Monate hinweg, bildete sie an selbstgewählten Orten ab und ließ sie sich so vor der Kamera präsentieren, wie sie sich selbst sehen und gesehen werden wollen.
Eine Frau entschied sich, dass Zielony sie im Profil auf dem Rücken liegend im Bett ablichtet. Einer anderen konnte der Fotograf beim Schminken zusehen. Eine weitere Aufnahme zeigt eine abwesend wirkende junge Frau vor einer Spiegelwand. Bildausschnitt und Komposition der Fotografien lassen den Betrachter immer wieder wie durch ein Schlüsselloch an einer alltäglichen Situation im Leben der Frauen Anteil haben. Oft setzt sich die Szene außerhalb des Bildes fort, so nah ist der Betrachter durch Zielonys Augen dem Geschehen. Das rötliche, warme Licht, das Zielony als ästhetisches Stilmittel für die Porträtaufnahmen einsetzt, verleiht den Bildern einen weichen, sinnlichen Charakter. Im Gegensatz dazu wirken die Außenaufnahmen eines Baumes am Straßenrand und einer Straßenlaterne mit ihrem kalten, bläulichen Licht trist.
In einem weiteren Raum der Ausstellung befindet sich eine Installation aus hunderten von Einzelfotografien, die Zielony zu einem Kurzfilm zusammengeschnitten hat. Protagonistin Danny steht mit einer bunt blinkenden Lichterkette am Straßenrand und wirbt routiniert Freier an. Zeigt einer Interesse, „bedient“ sie ihn sofort.
Zielony gelingt es, durch seine Porträts Nähe zu den Frauen herzustellen. Die ungeschönte, dokumentarische Darstellung der Orte, an denen die Frauen Freier treffen, spiegelt hingegen eine Realität wider, die vielen Betrachtern fremd ist. Die Perspektive wechselt zwischen Nähe und Distanz, dem Vertrauten und dem Fremden. Im Wissen, dass manche, aber nicht alle Fotografien Prostituierte zeigen, überdenkt man die eigenen Klischees: Was sehen wir, was glauben wir zu sehen und was wollen wir sehen?
Die Ausstellung zeigt außerdem 18 Fotografien des 2008 entstandenen Projektes „Trona“, in dem Zielony das Leben Jugendlicher in einer gottverlassenen Wüstenstadt vor Los Angeles dokumentiert.
Berlinische Galerie, Alte Jakobstraße 124-128, Berlin-Kreuzberg, U-Bahn: Hallesches Tor, Kochstraße, Moritzplatz, geöffnet Mi-Mo 10-18 Uhr, Eintritt: 8 Euro, ermäßigt 5 Euro