Nach dem Erwachen aus dem Schlaf sind Träume selten vorbei. Im schlechtesten Fall führen sie zu mieser Tageslaune, im besten inspirieren sie wie bei Machinedrum. Der hatte nach seinem Umzug von New York nach Berlin vor zwei Jahren über einen längeren Zeitraum Träume, in denen er sich immer in der gleichen Stadt wiederfand. Mit der Zeit vermischte sich in ihrer Gestalt alte und neue Heimat.
Dieser Traumstadt verpasste Machinedrum den Namen „Vapor City“. Obwohl er in seinem Album „Room(s)“ zuvor kleinere Architektureinheiten klanglich erforschte, bleibt auch im größeren Maßstab die Handschrift des Produzenten aus Breaks, warmen Synthflächen und verwaschenen Vocalsamples erhalten. Verband er jedoch auf dem Vorgänger Footwork und Jungle, macht Machinedrum auf seinem ersten Album für Ninja Tune einen Schritt weiter Richtung entschleunigten Drum’n’Bass, wie er ihn in letzter Zeit unter anderem bei seinem Beitrag „The Palace“ für die Compilation „Mosaic Vol.2“ des Labels Exit Records ablieferte.
Mit warmen Synth-Flächen in Richtung entschleunigten Drum’n’Bass
Die Elemente von Footwork, Drum’n’Bass und HipHop ergeben den Soundtrack zu unterschiedlichen Stimmungen und Orten einer Stadt. Die beiden Singles „Eyesdontlie“ und „Gunshotta“ stehen für die Clubs der Stadt. „Gunshotta“ eröffnet das Album: langsam rollen die Drums rein, die freundlichen Synth-Akzente werden von einem aggressiven Vocalsample untergraben und ein massiver Bass bringt die Decken zum Vibrieren. Auch „Eyesdontlie“ gibt sich anfangs freundlich verträumt, baut aber immer mehr Spannung auf, bis er schließlich dank Jungle-infizierten Trap-Beats und geloopten Vocalsamples explodiert.
Mithilfe einer Masse von Klangspuren schafft Machinedrum dichte Klanggewebe, die sowohl Spannungen erzeugen als auch auflösen können. Dadurch herrscht in Machinedrums Traumstadt ein angenehmes Gleichgewicht unterschiedlicher Stimmungen. Neben Referenzen an Clubnächte erwecken Tracks wie „Center Your Love“ friedliche Assoziationen, wenn verfrickelte Beats eher zum Zuhören als zum Abfeiern einladen. Mit Anleihen an 1980ies-Pop, hallenden Snares und Synthesizer-Arpeggien erzeugt auch die R’n’B-Nummer „U Still Lie“ romantische Bilder einer nächtlichen Fahrt durch eine schläfrige Großstadt.
Aus der Schichtung und gegenseitigen Durchdringung der musikalischen Texturen entsteht beim Hören von „Vapor City“ ein dichtes Geflecht an Tönen und akustischen Elementen. Mit der Zeit werden immer mehr Facetten von Machinedrums Traumstadt sichtbar, um letztendlich dazu zu inspirieren, sich beim Hören eine eigene Version dieser Stadt zu erschaffen.