Das Internet macht heutzutage Stars. The Weeknd ist das Paradebeispiel dafür. 2010 lud der damals 20-jährige Kanadier drei Songs auf Youtube hoch und trat damit eine langsam, aber beständig anwachsende Hype-Lawine in der Future R’n’B-Szene los. Vier albumähnliche Mixtapes und drei Jahre später ist es so weit: Der inzwischen zum Musikblogger-Liebling herangereifte The Weeknd aka Abel Tesfaye veröffentlicht sein Debütalbum „Kiss Land“. Und er beweist wieder einmal, was ihn von den meisten Future R’n’B-Künstlern abhebt.
Tesfaye versteht es, seine Tracks in den perfekten, melancholischen Metropolen-Soundtrack zu verwandeln. Dabei sind seine Songs düsterer und experimentierfreudiger als die seiner Kollegen wie Frank Ocean. Dunkle Downtempo-Beats, verziert mit den verschiedensten Synthiespielereien und zahlreichen Drumpatterns, bilden das musikalische Grundgerüst des Albums. Dieses Gerüst gerät nur selten ins Wanken – und wenn, dann neigt es sich Richtung leicht konsumierbarem Pop. Das ist zum Beispiel bei „Belong To The World“ der Fall. Beginnt der Song noch mit Gewitter, Piano und wummernden Bass, verwandelt sich das Ganze recht schnell in eine fast schon klassisch anmutenden Pop-Nummer mit Mitsing-Refrain – daran ändert auch das markante Motiv aus der Portishead-Single „Machine Gun“ nichts. An anderer Stelle wirkt die Kombination aus Sprechchören, Drums und The Weeknds emotionalem Gesang dagegen so bombastisch, dass man sich einen Song wie „Adaptation“ auch ohne weiteres im Soundtrack eines dramatischen Disney-Films vorstellen kann.
Weeknd bastelt aus Portishead-Zitaten Musik für ein Disney-Rührstück
Es sind immer die gleichen Faktoren, die alle The Weeknd-Lieder vereinen. Abel Tesfaye wälzt sich mit Leidenschaft und expliziter Sprache in der stets wiederkehrenden Sex and Drugs-Thematik, die zahlreiche autobiografische Bezüge aufweist. Dazu kommen der exzessiver Einsatz von Samples und Tesfayes Falsett-Gesang, der nicht erst seit seinem „Dirty Diana“-Cover mit Michael Jackson verglichen wird. In der Titelsingle „Kiss Land“ bringt The Weeknd sein persönliches Erfolgsrezept zur Perfektion. Der aus zwei Teilen bestehende Song erzählt von käuflicher Liebe, dem exzessiven Tourleben und bedient sich eines Sebastién Tellier-Samples. Tesfayes Stimme durchbricht dann immer wieder die aufgebaute Spannung. Die ausgewogene Mischung der verschiedenen Elemente machen den Song zum Höhepunkt des Albums.
Mit Hilfe von Freunden wie Drake produziert The Weeknd sexualisiert-melancholische Future R’nB-Songs, die verlässlich die 4 Minuten-Grenze des Formatradios sprengen. Wer kein Fan ist, wird schnell von der thematischen Eindimensionalität und der konstant deprimiert-wehleidige Grundstimmung von „Kiss Land“ genervt sein. Freunde der vorausgegangenen The Weeknd-Mixtapes werden hingegen auch „Kiss Land“ zu schätzen wissen und vielleicht eines der Alben 2013 für sich entdecken.