Mit seiner Band Portishead pausierte Geoff Barrow zehn Jahre, bis im letzten Jahr endlich das fulminante „Third“ erschien. Schon wenige Monate darauf wurde verlautbart, auf einen Nachfolger müsse man nicht allzu lange warten. Doch bevor die Bristoler Trip-Hop-Legende erneut zuschlägt, erscheint dieses Album von Barrows Projekt Beak>. Matt Williams und Billy Fulle vervollständigen das Trio.
Von Portishead – den Vergleich muss man wohl ziehen – unterscheidet sich die Musik von Beak> nicht nur dadurch, dass die Stimme von Beth Gibbons fehlt. Das Projekt hat darüberhinaus viel stärkere Live-Momente. Reduzierte Drum-Sets sind klar als solche erkennbar, und auch die mal mehr, mal weniger spartanisch eingesetzten Bässe und Gitarren sind in ihrer Körperlichkeit wahrnehmbar. Die ersten drei Stücke des Album sind faszinierend fragil, fallen immer wieder auseinander wie ein Buch mit defektem Einband: Es rutschen lose Seiten heraus, obwohl ganz behutsam umgeblättert wird. Noch vager ist der pergamentene Gesang, der schemenhaft über den krautrockigen Szenerien schwebt, die „Backwell“, „Pill“ und „Ham Green“ aufbauen. Worte sind nur zu erahnen. Das klingt ein bisschen, als höre man die Stimme von Thom Yorke, der gefesselt und geknebelt im Keller kauert. Erst als zur Mitte von „Ham Green“ die Gitarren lauter werden und den Gesang schließlich übertönen, scheinen sich die Strukturen einigermaßen zu festigen und so etwas wie Bestimmtheit einzukehren.
Ob es Barrow/Williams/Fulle tatsächlich darum geht, sich in irgendeiner Weise festzulegen, ist schwer zu beurteilen. Wahrscheinlicher ist, dass es sich hier um ein von purer Leidenschaft getriebenes Projekt handelt, von Musikern, die begeistert sind von der ungeplanten Entfaltungskraft von Musik und von Sounds wie dem an das unablässige Summen einer gefangenen Fliege erinnernde Summen in „I Know“ oder dem Intro von „Backwell“, das einem orientalischen Saiteninstrument entstammen mag. An vielen Stellen wirken die behutsamen Wendungen der Songs spontan, als ließen sich die Stücke von Schmetterlingseffekten in neue Richtungen tragen. Zu Zeiten von Joy Divison und Public Image Ltd. hätte man die Herangehensweise von Beak> als Verweigerungshaltung gedeutet. Ein solcher Begriff wirkt im plurastischen 2009 irgendwie anachronistsich. Und dennoch, die Verweigerung ist bei Beak> unprätentiös statt trotzig.
Eine deutlicher Schwenk kommt zum Ende des zweiten Drittels der Platte. Während man sich bis dahin in weiten, aber nichtsdestotrotz geschlossenen Räumen wähnte, findet das instrumentale „Blagdon Lake“ den Weg hinaus. Wie auf den Schwingen eines futuristischen Robotervogels nimmt das Synthie-Thema stetig Fahrt auf und webt zusammen mit der schnarrenden E-Gitarre einen dichten Soundteppich.
Wieder Schnitt: „Barrow Guerney“ besteht nur aus Störgeräuschen, Koppeln, Pausen, offenbar auf einer Gitarre erzeugt. Es leitet die gespentischen letzten drei Stücke des Albums ein, von denen zwei wieder auf eher songähnlichen Strukturen aufbauen. Doch während sich im jazzigen „The Cornubia“ die Stimme noch zur Melodie zwingen kann, unterbrochen von hospitalistischem Summen, ist sie im bespukten „Dundry Hill“ fast nur noch als Seufzen erkennbar. Die schiefe, immer präsenter werdende Synthie-Kirchenorgel im von allen guten Geistern verlassenen „Flax Bourton“ entlässt den Hörer schließlich in eine Stille, die viel lauter und bedrohlicher wirkt als die knapp 70 Minuten zuvor.
Hier eine kleine Preview des Albums:
[podcast]http://www.bln.fm/media/audio/previews/beak_beak.mp3[/podcast]
Tracklist
- Backwell
- Pill
- Ham Green
- I Know
- Battery Point
- Iron Avtion
- Ears Have Ears
- Blagdon Lake
- Barrow Guerney
- The Cornubia
- Dundry Hill
- Flax Bourton
(Invada)