Ikonika – Aerotropolis

ikonika - aerotropolis

Erfolgreiche Produzentinnen und weibliche DJs im Bassmusik-Genre sind wie Frauen in Chefetagen: selten. Die Folge des Exotenstatus: Wenn zarte Frauenhände düster treibende, industriell angehauchte Beats mischen, schaut jeder genauer hin. So war es auch bei der britischen Produzentin Ikonika. Als die Engländerin 2008 ihre erste Single „Please/Simulacrum“ auf Hyperdub veröffentlichte, setzte sie in der männerdominierten Dubstep-Welt neue, spannende Akzente. Dank ihrer ungewöhnlichen Songstrukturen und melodischen Synthmuster war ihr Stil unverkennbar – und ihr Erfolg nicht zu bremsen. Außer auf Hyperdub veröffentlichte Ikonika in der Folgezeit unter anderem auf Planet Mu und Warp Records. 2010 kam das Debütalbum „Contact, Love, Want, Have“.

Im Sommer erschien Ikonikas zweites Album: „Aerotropolis“. Es ist nach Städten benannt, in denen sich Drehkreuze des internationalen Luftverkehrs befinden. Die Idee kam Ikonika, als sie in der Nähe vom Flughafen London-Heathrow wohnte. Mit 70 Millionen Passagieren im Jahr 2012 ist er der größte Flughafen Europas. Und so zeugen auch die dynamischen Tracks des Albums von Rastlosigkeit und vom Gefühl, beständig zwischen den Wolken zu hängen – ganz wie es viel gebuchte DJs einen großen Teil ihrer Zeit lang tun.

Im Vergleich zu Ikonikas Tracks zuvor ist „Aerotropolis“ eine 180°-Wende. Denn die britische Produzentin setzt in der stilistischen Vielfalt diesmal auf süßlichen Synthpop und funkigen House statt auf fiese Basslines. Zum ersten Mal wird auf ihren Tracks sogar gesungen: Gast Jessy Lanza ist in „Beach Mode (Keep It Simply)“ zu hören – und lässt den Song verdammt girly-dancig klingen. Andere Tracks nehmen Anleihen bei Boogie Funk („Mr. Cake“) oder Acid („Manchego“) . Die tropisch-exotischen Klänge von Kongas und Glocken in  „Let A Smile Be (Y) Our Umbrella“ sorgen außerdem für eine Prise Fernweh.

Dennoch bleibt Ikonika auf vertrautem Boden: Es gibt nichts, was wirklich überrascht. Denn einerseits zieht sich trotz der vielfältigen Stilbrüche immer noch Ikonikas unverkennbare Handschrift durch die Tracks, die an den Videospielsound der 1990er erinnert. Andererseits sind die Tracks rhythmisch vorhersehbarer, verspielter und verträumter: Nun sind sie in ihrer Stimmung bestimmt von „Girls Just Wanna Have Fun“ statt von futuristischen dunklen Bässen. Damit reiht sich Ikonika in die Gruppe von Bassmusik-Produzenten ein, die in den letzten zwei Jahren den effektorientierten Bass-Sound durch Referenzen auf Pop, R’n’B und House für ein breiteres Publikum geöffnet haben.

„Aerotropolis“ zeugt vom gewachsenen Selbstbewusstsein der Produzentin. Ikonika muss ihren männlichen Kollegen nicht mehr beweisen, dass sie genau so gute Bässe auf verspulten, nerdy Effekten schrauben kann. Mit ihren neuen, deutlich poppigeren Tracks richtet sie sich mehr nach ihrem eigenen, perfektionierten Konzept als nach den wiedergekäuten Erwartungen einer Post Dubstep-Szene, die mittlerweile nicht mehr ganz so jugendlich ist.


Ikonika: Aerotropolis (Hyperdub), Sommer 2013