Das hippe Duo AlunaGeorge repräsentiert das chartfreundliche Ende eines R’n’B-Trends, der Mainstream und Underground miteinander verbindet. Denn derzeit punkten auf der einen Seite Indie-Lieblinge wie The XX mit einer Dosis Black Music, die ihnen der club-affine Produzent Jamie in Form von gebrochenen und geshuffleten Beats unterschiebt. Auf der anderen Seite spielen die Chartstürmer Disclosure die R’n’B-Karte hingegen über ihre Gastsänger aus, zu denen auch Aluna Francis von AlunaGeorge gehört. Sie lieferte ihren Gesangsbeitrag zur Single „White Noise“, welche bis auf Platz 2 in den offiziellen Singlecharts Großbritanniens stieg. Dafür reichten Produzent George Reid – der Mann hinter den Keyboards bei AlunaGeorge – die heftig gecutteten Vocals eines Tracks von R‘n‘B-Sirene Cassie, die er mit Francis Gesang zu einem stimmigen Ganzen mischte.
Ihre erste offizielle Single veröffentlichten AlunaGeorge auf dem schwer angesagten Witch House-Label Tri Angle. Das Popstück „You Know You Like It“ überraschte 2012 im Umfeld solch gespenstiger Produktionen wie von Holy Other und oOoOO. Nun haben AlunaGeorge ihr erstes Album „Body Music“ herausgebracht – mittlerweile auf der zum Major Universal zugehörigen Island Records Group. Und lauscht man allein dem Opener „Outlines“ wird klar, was das Besondere war, das Tri Angle-Labelboss Robin Carolan in dem gemischten Doppel gesehen haben mag.
Alunas herzzerreißender Vortrag und Georges luftige, atmosphärische Produktion bringen den erwachsenen, gefühlsbetonten R’n’B-Sound an den Punkt, wo er sich nicht nur beim Sound der 1990er bedient, sondern auch eine gewisse Abgedrehtheit aufweist. „You Know You Like It“ ist eine ähnliche Geschichte, kombiniert es doch den MTV-Hochglanz des vorletzten Jahrzehnts mit der eigentümlichen Art von Produktion, die auch bei den Anhängern eines Witch House-Labels ankommt.
Eklektische Nachahmung mit Ableton-Skills
Den größeren Teil des Albums dominiert dann aber nicht der Einfluss des US-amerikanischen R’n’B, sondern die Nachahmung des Popsounds der späten 1990er und frühen 2000er Popsounds. Wenn AlunaGeorge die Erinnerungen an den Sound ihrer Kindheit in etwas „Erwachsenes“ ummünzen wollen, überzeugt „Body Music“ nur wenig. Zugegebenermaßen kommt die Bubblegumversion ihrer All Saints-Verehrung in „Attracting Flies“ ziemlich rotzig und auch frisch daher. Und die trickreiche Stimmbearbeitung in „Kaleidoscope Love“ hievt den Produktionsansatz des Albums gar ins Ableton-Zeitalter. Umso trauriger, dass jeder andere Track, der anfangs das Vergnügen einer älteren Sugababes-Produktion verspricht, zu einer keimfreien, sterilen und mit Langeweile vorgetragenen Angelegenheit wird. Die unbeschwerte Akustikgitarre und das Piano in „Best Be Believing“ kombiniert das Duo mit einem simplen und uninspirierten „Na na na na na“-Refrain. Das hat weniger das Feuer einer mitreissenden Pop-Hymne sondern klingt vielmehr nach Langeweile in einer Warteschleife. Und wenn Aluna wie in „Superstar“ von der Obsession einer jungen Frau singt, die sich nach ihrem Traumtypen sehnt, wird aus der behaupteten Leidenschaft das unreife Schmachten eines Schulmädchens.
Dennoch trägt die Exzentrik von Aluna Francis Stimme die Produktion auch in den schwächeren Momenten. Produzent George Reid schafft es hingegen über weite Strecken nicht über eine schwache Kopie seiner Produzentenvorbilder hinauszukommen. Fünfzehn Jahre Poptrends packt er in die Platte. Da finden sich Anspielungen auf Produktionen der Neptunes und von Timbaland. „Just A Touch“ hingegen erinnert an The Knife zur Zeit der „Silent Shout“-Ära. Reids Handschrift bleibt jedoch im Großen und Ganzen eine Collage aus beliebigen Versatzstücken.
So arbeiten AlunaGeorge mehr oder weniger kreativ das auf, was sie während ihrer Teenagerzeit im Radio gehört haben. So wirkt der 1990er R’n’B und Chartpop der Jahrtausendwende weiterhin kräftig nach im Musikgeschehen des Vereinigten Königreichs. Ob die Verbeugung vor den Chartstürmern der Dekade eher ein Ausklang oder doch eher der Beginn eines Revivals ist, bleibt abzuwarten. Im Fall von AlunaGeorge fehlen nur noch die Mittel, um daraus etwas wirklich Eigenständiges in durchgehend hoher Qualität zu schaffen.