Im letzten Jahr standen Platten von Produzenten wie Jon Hopkins, Gold Panda und Actress für vielschichtige ambiente Elektronik, die unnatürliche Präzision und organische Elemente miteinander vereinte. Mittels digitaler Tonbearbeitung stellen sie wie unter einem Vergrößerungsglas feinste Strukturen einzelner Klänge heraus und formen daraus Beats aus immer kleineren, filigraneren Fragmenten, welche wichtige Rhythmus-Elemente, Kickdrum und Snare umkreisen. Gleichzeitig klingen diese Platten sehr räumlich, beinahe wie „live“ eingespielt. Eingemischt sind Hintergrundgeräusche und anscheinend zufällige Klänge – da ist an manchen Stellen Straßenlärm zu hören oder das Knarzen von Klavierstühlen. Sie sind innerhalb der Tracks nicht einfach nur Hintergrund, sondern die gezielt gesetzten Ecken und Kanten der Klänge produzieren selbst Rhythmus.
Shigeto folgt auf seinem neuen Album diesem Produktionstrend. Auch bei Shigeto ist Rhythmus das zentrale Element, der Mann aus Detroit ist selbst Schlagzeuger und bedient sich für die Beats der neuen Platte verstärkt bei ausgefallenen und vertrackten Rhythmen. Samba, Funk und Jazz, live gespielt auf „echten“ Drumkits ist genauso vertreten wie rein elektronische Klacker- und Mikrobeats. Shigeto produziert keine Sample-basierte, repetitive Clubmusik, seine Kompositionen sind vielmehr ausgefeilte Taschensymphonien. Im Grunde genommen ist „No Better Time Than Now“ deshalb ein elektronisches Jazz-Album, dass sehr gegenwärtig auf die Klangästhetik von Bassmusik setzt. Zwischen den tiefen Bässen und glitzernde Atmosphären ertönen vor allem elektronische Pianos, mit denen das harmonische Gerüst der Platte aufgebaut wird. Hier wird musikalisch „gearbeitet“, um den Tracks ihre Grundstimmung zu verleihen – mal mit schwelgenden Jazz-Harmonien, mal mit kurzen fragmentarischen Melodielinien.
Ausgefallene Taschensymphonien mit Samba, Funk und Jazz
Das Album vereint ganz unterschiedliche Stile zu einem homogenen Gesamtwerk. Auf „No Better Time Than Now“ gibt es fast keine Brüche, weder zwischen den einzelnen Tracks, noch in der Musik selbst. Die einzelnen unterschiedlichen Elemente sind komplex miteinander verschränkt, statt sich einfach abzuwechseln. In „Detroit Part 1“ läuft so ein schwerer HipHop-Beat den ganzen Track über durch, dazu treten dubbige Blubbersounds und wolkige E-Pianos mit schrägen Harmonien. Dann, ganz subtil, wie es auch Boards of Canada perfektioniert haben, ändert sich die Musik stetig und fast unmerklich, bis der anfangs vertrackte Beat durch die offenen Sonnenscheinharmonien gefällig und freundlich groovt.
Wie der Titel des Albums nahelegt, geht es bei „No Better time Than Now“ um eine Zeit persönlicher Veränderungen. Zwischen hektischem Tourleben, einer zerbrochenen Beziehung und einem gestohlenen Computer, mit dem viel musikalisches Material verschwand, schien für Zach Shigeto Saginav nichts mehr übrig zu bleiben als irgendwie aus dem Hier und Jetzt das Beste zu machen. Das ist ihm gelungen: In der Tat klingt „No Better Time Than Now“ mehr forsch und hoffnungsvoll als resigniert.