Müggelwald-Theaterspektakel: Öko-WG mit sieben Zwergen sucht Mitbewohnerin

Forest: the nature of crisis. Foto: Susann Hochgräf

Kurz vor Sonnenuntergang versammelt sich eine Traube von Menschen auf dem höchsten Punkt des Müggelwaldes. Von dem romantischen Szenario aus überblicken sie den See, der in den letzten Lichtstrahlen malerisch glitzert. Der Wind weht durch die Baumkronen und vereinzelt ertönt Vogelgezwitscher. So beginnt das Theaterstück „Forest: The Nature of Crisis“, ein Waldspaziergang, wie die argentinische Regisseurin Constanza Macras im gedruckten Programm ankündigt. Während sich der Himmel immer rötlicher färbt, erscheinen Tänzer in Tierkostümen, die zu rockiger Livemusik zunächst wild herumtollen, dann immer aggressiver miteinander kämpfen. In schnellen Kostümwechseln verwandeln sie sich in surreale Märchengestalten, während eine Frau im Glitzerkleid und abrasierten Haaren ihre Version der Geschichte vom „Schneewittchen“ erzählt. Schneewittchen sei ein kokainabhängiges Opfer der Inflation, die vor Bankkredite und wuchernden Zinsen Zuflucht in einer Öko-WG bei sieben Zwergen sucht. Ihre böse Stiefmutter will jedoch an ihre Lebensversicherung ran, sie spürt Schneewittchen im Wald auf und vergiftet die junge Frau mit einem falschen „Bio“-Apfel.

Forest: The Nature of crisis. Foto: Susann Hochgräf

Forest: The nature of crisis.Foto: Susann Hochgräf

Nun beginnt die Wanderung –  die Zuschauer laufen einem Wolf nach, vorbei an der „Prinzessin auf der Erbse“ und der Raupe aus „Alice im Wunderland“, die sich beim näheren Hinsehen als Junkie im Schlafsack entpuppt. Während der Weg immer schwerer zu sehen ist, strömt Nebel aus schwach belichteten Ecken des Waldes. Im Zwielicht begleiten Gitarren, Geige und Schlagzeug die Tanzeinlagen im Hip Hop, Breakdance und Modern-Stil; bekannte Songs von Johnny Cash, Morrissey bis hin zu Tokio Hotel schaffen einen morbiden Kontrast zum düsteren Geschehen auf dem Waldboden.

Forest: The Nature of crisis. Foto: Susann Hochgräf

Macras will mit ihrem dreistündigen Stück die dunklen Seiten von Grimms Märchen zum Vorschein bringen und ihre Aktualität unterstreichen. Thematisiert werden dabei globale Probleme des 21. Jahrhunderts: Konsumgesellschaft, Ökobewusstsein, Finanzkrise. „Ich verkaufe Blumen. Nur 10 Pestizide“ , heißt es auf einem Schild am Wegesrand. Mit Taschenlampen irren die Besucher im stockfinsteren Wald zu den letzten Schauplätzen. Bald  wissen sie selbst nicht mehr, wie sie zurück in die Zivilisation finden sollen. Über morastigen Boden gelangen sie zu einer hell beleuchteten Blockhütte am See, wo ihnen das Schicksal von „Hänsel und Gretel“ erzählt wird. Die Geschwister finden nicht mehr den Weg aus dem Großstadtdschungel,  nachdem die Finanzkrise ihnen ihre Orientierungshilfen genommen hat: die großen Werbetafeln, welche die Straßen säumen. Der Müggelwald beschert den beiden Kindern ein anderes Happy End als die Märchenvorlage: sie entkommen der Armut, weil sie einen Job finden. Was illusorische Hoffnung verspricht, wird jedoch im im Finale des Abends zerstört. Nackte Fabelwesen, irrende Geschwister, apathische Einzelgänger reigen sich zu einer verstörenden, verzweifelten Version des „Erlkönigs“.  Am Ende brechen sie zusammen und verschwinden im nächtlichen Schwarz. Das Licht geht aus. Die Taschenlampen werden eingesammelt. Allein im finsteren Wald bleiben die Zuschauer zurück. Den Weg hinaus müssen sie selber finden.

Weitere Aufführungen: 14.8.2013 19:30 Uhr, 16.-19.8.2013 19:30 Uhr,  19.8.2013 — Film­übertragung mit Live-Musik in die Schau­bühne, Kur­fürs­ten­damm 153, U-Bahn: Adenauerplatz

Start­punkt im Müggelwald: Waldeingang gegen­über Park­platz »Rübezahl«, Müggelheimer Damm 143,  S-Bhf. Köpenick, weiter mit dem X69 (10-Minuten-Takt) Rich­tung Müg­gel­heim bis zur Hal­te­stelle »Rübe­zahl« oder mit der Fähre von Fried­richs­ha­gen (Abfahrt 18.00 Uhr, bis Sta­tion Rübezahl)

(Foto: Susann Hochgräf)