Mit Katze und Suppenkelle: Ausstellung „Vielzuviel“ in Mitte

Alles ist viel zu viel. Wozu soll man sich also noch aufregen? Mit dieser Frage beschäftigen sich die „Galerie Baum auf dem Hügel“ (BADH) und „Berlin Selected Artists“ (BSA), die gemeinsam die Ausstellung „Vielzuviel“ präsentieren. Gezeigt werden gesellschaftskritische Werke zeitgenössischer deutscher und internationaler Künstler – von klassischen Ölgemälden bis hin zu Installationen. Mit dabei: echte Legenden wie Andy Warhol.

Steffi Stangl sorgt mit kinetischer Kunst für eine wunderbare Geräuschkulisse zur Ausstellung. Beim Betreten der Galerie wird man mit ihrer Installation „5 Scheren / Synchronschwimmen“ konfrontiert. Dabei sind fünf Scheren so im Kreis angeordnet, dass sie mit der Spitze einen Mittelpunkt markieren. Hydraulisch angetrieben, bewegen sie sich zunächst in einer geordneten Choreografie, um kurz darauf mit einem lauten „Schnipp“ in scheinbares Chaos überzugehen. Dieser Zusammenbruch von Ordnung begleitet die Besucher durch die gesamte Ausstellung. Die Geräusche der einstürzenden Scheren sind überall zu hören und unterbrechen den Rhythmus der Gleichförmigkeit.

 

Steffi Stangl: "5 Scheren / Synchronschwimmen"
Steffi Stangl: „5 Scheren / Synchronschwimmen“

In krassem Gegensatz dazu steht die Skulptur von Leo Ferdinando Demetz. Der blasse, aus Linde geschnitzte Männeroberkörper scheint still in der Wand zu stecken. Obwohl Torso und Stirn Einschusslöcher aufweisen, ist der Gesichtsausdruck des Mannes weder schmerzverzerrt noch ängstlich. Lächelnd und fast schon erleuchtet blickt er stattdessen über den Betrachter hinweg.

 

Leo Ferdinando Demetz: "Il Miracolato", 2011, Lindenholz
Leo Ferdinando Demetz: „Il Miracolato“, 2011, Lindenholz

Ein weiterer Künstler schockiert und inspiriert mit seiner Darstellung von Gewalt – und zwar kein geringerer als Jeff Widener mit seinem weltberühmten Foto „Tank Man“. Die Betreiber der BADH haben es tatsächlich geschafft, das Original für die Ausstellung zu gewinnen. Der Anblick eines Mannes, der sich auf dem „Platz des himmlischen Friedens“ in Peking anrollenden Panzern in den Weg stellt, ist bewegend. Sofort möchte man losziehen, die Menschen wachrütteln und alle Kriege beenden.

 

Jeff Widener: "Tank Man", 1989
Jeff Widener: „Tank Man“, 1989

 

Mit Routine und Manipulation beschäftigt sich Attila Szücs im Gemälde „Leo Is Sitting In An Armchair“. Das Bild zeigt einen Jungen, der gelangweilt in einem Fernsehsessel sitzt, auf dessen Armlehne eine Fernbedienung liegt. Was er sich ansieht, bleibt dem Betrachter verborgen. Um ihn herum befindet sich eine verschwommene, mystisch anmutende Naturlandschaft. Der Junge scheint jedoch nicht daran zu denken, den Komfort des Sessels zu verlassen und diese zu erkunden. Das Bild führt so die sich einschleichende lähmende Routine vor Augen: Fernsehen als Religion und Opium fürs Volk.

 

Attila Szücs: "Leo Is Sitting In An Armchair", 2013, Öl auf Leinwand, 190 x 240 cm
Attila Szücs: „Leo Is Sitting In An Armchair“, 2013, Öl auf Leinwand, 190 x 240 cm

Horst Waigel setzt sich mit „Gott und der Welt“ auf ganz andere Weise auseinander. Er hat eine „Gottesfalle“ erfunden, die im BADH zu sehen ist. Natürlich gibt es auch eine Anleitung, wie diese nachgebaut werden kann. Wichtig sei die Kooperation einer Katze mit einer Suppenkelle. Die Installation regt zum Schmunzeln an und erinnert daran, dass Humor wohl der beste Schutzmechanismus ist, wenn mal wieder alles „vielzuviel“ erscheint.

 

Vordergrund: Horst Waigel, Gottesfalle© : Installation mit Anleitung Hintergrund: Garry Leonard, René Holm, Clemens Tremmel, Gabor A. Nagy
Vordergrund: Horst Waigel: „Gottesfalle“, Installation mit Anleitung; Hintergrund: Garry Leonard, René Holm, Clemens Tremmel, Gabor A. Nagy

Das Besondere an „Vielzuviel“ ist, dass viele verschiedene Künstler, Stile und Techniken in einem Raum zusammenkommen. Was auf den ersten Blick als imposantes, aber doch zusammenhangsloses Kunstchaos erscheinen mag, nimmt schnell eine erkennbare Struktur an. Monotonie, Ignoranz, Apathie und Gewalt sind immer wiederkehrende Themen. Die Ausstellung beeindruckt, inspiriert, berührt und zaubert ein Lächeln aufs Gesicht.

„Vielzuviel“ läuft bis 22. September im BADH, Seydelstraße 7, 10117 Berlin, U Spittelmarkt, Öffnungszeiten DI, MI, FR, SA von 14:00-18:00 Uhr und DO 18:00 – 21:00 Uhr.

Beteiligte Künstler:

Gábor A. Nagy • Diane Arbus • Banksy • Adam Bota • Martin Denker • Leo Ferdinando Demetz • Konstantin Déry • D*Face • Sergej Dott • Niki Elbe • Max Ernst • Joseba Eskubi  • Xenia Fink • Deenesh Ghyczy • Ralph Gibson • Alejandro Rodríguez González • Simone Haack • René Holm • Robert Indiana  • Carsten Klindt • Oskar Kokoschka • Bodo Korsig • Garry Leonard • Roy Lichtenstein • Roberto Matta • Pepper • Petestreet • Juan Miguel Pozo • Ewa Rudling • Sebastian Rogler • Jakob Schaible • Thomas Schriefers • Franz Schröder • Steffi Stangl • Stepanek & Maslin • Attila Szücs • Yukihiro Taguchi • Kinki Texas • The Vision • Ulrich Vogl • Zoppe Voskuhl • Horst Waigel • Andy Warhol • Jeff Widener • Garry Winogrand • Roland Wirtz

Weitere Ausstellungsstücke werden in den kommenden Wochen erwartet.

(Fotos: BADH)