Am 12. Juli feierte die erfolgreiche „sub:stance“-Partyreihe im Berhain fünfjähriges Bestehen und gleichzeitig den Abschied. Gastgeber war Scuba alias Paul Rose, der das Label Hotflush betreibt und mit der ersten Dubstep-Welle von London nach Berlin kam. Im Berghain öffnete er den musikalischen Kosmos des Berghains für die wabernden Bässe. Zuvor war diese Spielart elektronischer Tanzmusik dort kaum präsent.
Anfang der 2000er verschmolzen in London Two Step, Dub und UK Garage zu etwas neuem. Es dauerte ein, zwei Jahre, bis die rollenden Bässe und die düsteren Klänge im Internet für einen mittelschweren Hype-Alarm sorgten. Bassmusik aus dem UK, landläufig als „Dubstep“ gelabelt, war weniger langweilig als Drum’n’Bass, der nur noch seine funktionalen Erfolgformeln der 1990er zitierte und weniger rau und „bad“ als Grime, der Sound der Londoner Problemviertel. Die „sub:stance“-Party markiert die Periode, in der dieser vormals klar verortbare Insel-Sound lokale Ableger fand und sich mit anderen Genres vermischte. In Berlin verschmolz er mit dem eher geraden Techno, wie er im Berghain gespielt wird.
Vom aktuellen Stand dieser Entwicklung zeugt die gerade erschienene Jubiläums-Compilation „Sub:stance 7/2008-7/2013“, die als zweiteiliges Vinyl-Boxset direkt bei sub:stance erhältlich ist. Dafür lieferten Appleblim, John Osborn, Martyn und andere sub:stance-Stammgäste Tracks ab, Kurator Scuba ist selbst mit zwei Beiträgen vertreten.
Die wilde Kreativität von Dubstep ist nach 5 Jahren Berlin verloren gegangen
Die Sammlung bietet House- und Technoproduktionen auf hohem Produktionsniveau, bei denen aber vom einstigen Dubstep-Sound nicht mehr viel übrig ist. Die hart synkopierten Rhythmen, die Dubstep am Anfang prägten, klappern nur gelegentlich im Hintergrund, das meiste auf dem Sampler ist klassisch 4-to-the-floor. Appleblim eröffnet die Platte und gibt der Seele direkt mal Futter: „Darkest Red“ entfaltet eine Atmosphäre mit Sogwirkung, kann aber das Versprechen am Ende nur punktuell einlösen. Er teilt das Problem vieler „sub:stance“-Tracks: sie sind schnell zu durchschauen und bleiben nicht hängen.
Denn den meisten Tracks fehlt es einfach an Spannung – es gibt kein Staunen, kaum Nachhall, kein „Wow!“ So auch bei den Beiträgen von Scuba: als SCB liefert er eine ziemlich unspektakuläre Tech House-Produktion namens „Closer“ ab, die weder stört noch gefällt. Sein zweiter Track macht schon mehr Spaß, auch wenn „August“ im Prinzip nicht wesentlich anders klingt als aufgepumpter Maschinenfunk von 1982. Den Höhepunkt der Platte liefert John Osborn mit einer recht gelungenen Kombination aus britischen Dub-Atmosphäre und klassischem Acid-Sound.
Hinterlässt „sub:stance“ etwas? Der einstige Inselsound mit dem hohen Wiedererkennungswert ist weitgehend im „normalen“ Berliner Partysound aufgegangen. Im xlr8r-Interview prophezeit Scuba, dass sich der Sound der Protagonisten noch weiter in diese Richtung entwickeln wird. Das sei der Grund für das Ende des Partykonzepts „sub:stance“ gewesen: der Sound der Party war nicht mehr von dem einer regulären Berghain-Party zu unterscheiden. Dieser erfolgreiche Integrationsbeweis in die Berliner Szene kann mit gemischten Gefühlen gesehen werden.