Detroit – Ruinen einer vergangenen Zukunft

detroit, 2010, thunderkiss photography (CC BY-NC-ND 2.0)

Seit dem 18.7.2013 ist Detroit offiziell pleite. Es wird nicht der Endpunkt des Niedergangs des Zentrums der amerikanischen Automobilindustrie sein, der bereits seit 60 Jahren anhält. In den 1950ern hatte die Stadt 1,9 Millionen Einwohner, doch dann zog die Mittelschicht in die Vorstädte, Autofabriken schlossen, ganze Viertel der Stadt verfielen. Die Zahl der Einwohner sank auf 700.000.

Anfang der 1990er fühlten viele, dass Berlin mit Detroit seelenverwandt ist. Die ehemals geteilte Stadt teilt mit Detroit die Geschichte der De-Industrialisierung: Konzerne wie Siemens zogen mit ihren Fabriken aus Westberlin fort, in Ostberlin schlossen nach 1989 viele Industriebetriebe ihre Pforten. Feste Strukturen lösten sich auf, vom Industriezeitalter blieben skelettierte Hallen und leere Gebäude. Detroit wirkte da wie ein Blick in eine Zukunft, die Berlin bevorstehen könnte. Um so faszinierender, dass Detroit mit seinen DJs und Produzenten wie Juan Atkins, Jeff Mills und dem Underground Resistance-Kollektiv auch den passenden, post-industriellen Soundtrack dazu lieferte. Die 4/4-Beats der Drummachines wirbelten futuristisch, raue Industrial- und Hiphop-Elemente verorteten die Musik im Hier-und-Jetzt einer verarmenden Metropole, Melodien und die prächtigen Arrangements mancher Platten verwiesen auf die musikalische Motown-Tradition der Stadt.

Nichts ist romantischer als in Ruinen zu tanzen – das entdeckten auch die Berliner. Auch sie eroberten in den 1990ern die bröckelnden Leerräume für Parties und schauten fasziniert dem einstmals prächtigen Detroit beim Verfall zu, in dem es Brauch wurde, zu Halloween verlassene Villen und Appartment-Häuser abzufackeln. Zurück bleibt in Detroit ein Niemandsland, in dem der Gedanke des Fortschrittsglaubens weit entfernt ist. Doch anders als Anfang der 1990er ist die Entwicklung zum Nicht-Ort für Berlin nicht mehr wahrscheinlich, die Parallelen der Metropolen werden weniger. Berlins Einwohnerzahlen wachsen, leere Räume schließen sich und Kreative, Glücksritter und Investoren strömen in die Stadt. Detroit scheint ein Endpunkt zu sein, Berlin hingegen ein Ort, wo etwas beginnt. So ändern sich die Zeiten.

welcome to midtown, detroit, flickr: ralph h - CC BY-NC 2.0

 

detroit, michigan central station, Flickr: Juan N Only , (CC BY-NC-SA 2.0)
Am 6. Januar 1988 verließ der letzte Zug die Michigan Central Station in Detroit. Eigentümer Manuel Moroun war 2009 auf der Forbes-Liste der reichsten Amerikaner.

Detroit Motor city, Foto: Thunderkiss Photography, Creative Common-Lizenz (CC BY-NC-ND 2.0)

 

detroit, by flickr IAN RANSLEY DESIGN + ILLUSTRATION

 

Eddystone and Park Avenue Hotels, Detroit, by flickr Sean_Marshall, CC BY-NC 2.0
Das Eddystone Hotel sollte zu einem Einkaufszentrum umgebaut werden. Stattdessen wurden 2010 die Fenster im Erdgeschoss zugemauert.

 

Eastown Theatre Detroit, by flickr  JVLIVSPhoto, CC BY-NC-ND 2.0
1930 eröffnete das Eastown Theatre als Kino. Zwischenzeitlich Konzertsaal und Jazzclub, endete es als Pornokino in den 1980ern. 2010 brannte ein Teil de Gebäudes ab.

 

Easttown Theatre Detroit, 2013, by flickr memories by mike, CC BY-NC-ND 3.0

 

Detroit, Motor City Plant, flickr by rory k mcharg (CC BY-NC 2.0)
Detroit beherbergte zu Glanzzeiten drei große Automobilkonzerne: Ford, General Motors und Chrysler. In den letzten Jahrzehnten hatten sie mit wirtschaftlichen Problemen zu kämpfen und verlagerten ihre Standorte.

 

Packard Plant Ruins, Foto: Csmcm, Creative Common-Lizenz (CC-BY-SA-3.0)
1911 bis 1958 produzierte der Hersteller Packard Luxusautos in Detroit. Seitdem nutzen andere Firmen die Gebäude, die teilweise verfielen. Der letzte Mieter hat seit 2010 den Auszug angekündigt.

 

Grande Ballroom Detroit, by wikicommons: Albert Duce (CC BY 3.0)
Der „Grande Ballroom“ eröffenete 1928 und war in den 1960ern Verantaltungsort zahlreicher Rockkonzerte. 1972 war Schluß, seitdem verfällt das Gebäude.

 

Grande Ballroom, Detroit, 2010,by wikicommons: Albert Duce / CC BY-SA 3.0

 

detroit sw, abadoned neighbourhood, by flickr: rory k mcharg (CC BY-NC 2.0)
Im Südwesten Detroits sind ganze Nachbarschaften verödet. Fotografen bezeichnen die Dokumentation von Ruinen selbstironisch als „ruin porn“.

(Fotos: Thunderkiss Photography, Ralph H., Juan N. Only, Ian Ransley, Sean Marshall, JVLIVS Photo, Memories by Mike, Rory K. Mcharg, Csmcm, Albert Duce, wikicommons // Creative Commons // Vorschaubild: Rory K. Mcharg)

(André Salzmann, Alexander Koenitz)