Zum Erwachsenwerden gehören oft genug schmerzhafte Erfahrungen. Schwierige Beziehungen und Liebeskummer, Streit bis hin zu Gewalt, das sind Themen, die das Elektropop-Projekt Austra, mittlerweile auf sechs Mitglieder angewachsen, in den Texten ihres neuen Albums „Olympia“ verarbeitet. Die Musik weist jedoch in eine komplett andere Richtung. Funktioniert das Zusammenspiel der Gegensätze auf Austras neuem Album ?
Nach ihrem Erfolgs-Debüt „Feel It Break“ aus dem Jahr 2011 tourte die kanadische Band nonstop mit Bands wie The XX, Grimes und Gossip durch die Welt. So dürften mittlerweile viele die herzzerreißende, eisig-klare Stimme von Frontfrau Katie Stelmanis kennen, die sich schneidend aus dem dunstigen Synthie-Sound der Songs absetzt. Die Unmittelbarkeit der Live-Auftritte wollten Austra auf ihrer neuen Platte „Olympia“ festhalten: Sie spielten das Album komplett live ein. Unterstützung gab es dabei von den Produzenten Damian Taylor (Björk, The Killers) und Tom Elmhirst (Adele, Hot Chip).
Neo Goth ist gestern, jetzt setzen Austra auf Waldhorn und Marimba
Im Vergleich zum Debütalbum haben sich Austra mit „Olympia“ in Struktur und Stil weiterentwickelt. Die vormals typischen Neo Goth-Klänge wandeln sich zu pulsierenden Dance-Beats. Statt düsteren und verschleierten Klängen sind die Harmonien kompakt und klar. Liebliche Melodien entsteigen einem dichten Klangteppich, in dem Klavier, Flöten, Streichinstrumente und Waldhorn mit dem breiten Aufgebot aufwendiger Percussion verschmelzen. Austra entdecken die Wirkung von Rhythmen und setzen auf Marimba, Conga und Co als wichtige Elemente in jedem ihrer Songs.
Katie Stelmanis‘ Stimme behält dabei ihre zentrale Bedeutung für die Musik von Austra, schließlich transportiert sie die Botschaft in ihren Texten: Sie beklagt Einsamkeit, sie trieft vor Sehnsucht, noch um einiges persönlicher als in den Texten des Vorgänger-Albums. Im Gegensatz zu den sprudelnden Dance-Beats kreieren die eindringlichen Songtexte ein düsteres Ambiente. So entwickelt sich bei der Vorabsingle „Home“ aus dem einläutenden Klaviergeplänkel ein unerwartet angenehmer und druckvoller Piano House-Track, in den sich Stelmanis‘ Gesang einhakt.
Diese Struktur zieht sich wie ein roter Faden durch “Olympia“: Am Anfang steht Melancholie, die sich in einer stimmungsaufhellenden, tanzbaren Bassline zersetzt. Diese rhythmusorientierte Instrumentierung und der schwermütige Gesang hypnotisieren mit ihrem gegensätzlichen emotionalen Mix. Es ist, als würde man tanzen gehen, weil man traurig ist. Austra gewinnen in ihren Produktionen damit an Energie, die sich aus der Gegensätzlichkeit der Bestandteile speist. Der Preis dafür ist, dass sie im lebhaft-flatterhaften Diskotheken-Sound die düstere Erhabenheit ihres ersten Album einbüßen.
Austras Synthie-Pop ist lichtdurchlässiger geworden, damit aber auch zugänglicher für ein breiteres Publikum. Die Band gießt damit schwermütige Themen in die Form von Clubtracks, zusammengestellt zu einem in sich stimmigen Album, bei dem nichts unbedacht zusammengewürfelt scheint. Im Melancholic Dance-Trend zwischen Künstlern wie MS MR und Karin Park wirken sie so am verspieltesten. Eine Kombination aus Dramatik und Disco. Wen so etwas anspricht, der wird von „Olympia“ begeistert sein.
Reinhören:
Tracklist:
- What We Done?
- Forgive Me
- Painful Like
- Sleep
- Home
- Fire
- I Don’t Care (I’m a Man)
- We Become
- Reconcile
- Annie (Oh muse, you)
- You Changed My Life
- Hurt Me Now
(Domino)