„Was soll man mit Tone of Arc schon anfangen“, mag sich der Hörer nach einem flüchtigen Durchzappen fragen, denn schenkt man dem Duo nicht die notwendige Aufmerksamkeit wird ihr Debütalbum leicht dem Verdacht eines beliebigen Hipster-Hörstoffes zum Opfer fallen. Laut ihrer Facebook-Seite verarbeitet das nach Hippie-Pärchen aussehende Echtzeit-Duo alle möglichen Einflüsse – von Deep House bis NuDisco. Man sollte dem Auflisten irgendwelcher Stilistiken im Fall von „The Time Was Right“ allerdings kein allzu großes Gewicht beimessen, gewichtig erscheint vielmehr der Umstand, dass sie sämtliche Einflüsse mit einer spielerischen Leichtigkeit zu einem glaubwürdigen Gesamtsound hinbiegen.
Welche Zeit nun die rechte war und zu welchem Zweck, bleibt das Geheimnis von Derrick Boyd und Zoe Presnick. „The Time Was Right“ weist in unzählig viele verschiedene Musikrichtungen, wie man es von den Retro-Crossover-Wellen der letzten Jahre kennt, wobei der übermäßige Hipsterappeal musikalisch auf das vorangehende Jahrhunderts zurückzuführen ist. Vielleicht wollen Tone Of Arc , dass wir uns auf die Retro-Elemente konzentrieren, also beginnen wir einfachheitshalber genau an diesem Punkt.
Der zweite Track „Love Kissed“ geht mit seiner funky Bassline zu dem Zeitpunkt zurück als Gordon Parks „Shaft“ in die Kinos kam. Derrick Boyd’s Fähigkeit über einen Electrofunk-Groove lasziv hinweg zu nuscheln ist nicht nur bemerkenswert sexy, sondern auch ein hervorstechendes Merkmal eines Albums mit vielen herausragenden Nummern. Der Moment wenn Presnick einsteigt steigert die erotische Wirkung bis hin zu dem Punkt an dem beide keine Zeit mehr zum Reden haben. Den Rest des Songs erledigen die Vintage-Sounds der funky 1970s – heiß, verschwitzt und so eng anliegend wie eine Röhrenjeans.
Wie sehr sich das Rückbesinnen auf alte Zeiten im Fall von Tone Of Arc auszahlt zeigt ihre Coverversion eines Spät-1980er-Songs: Der auserkorene Titel auf „The Time Was Right“ ist vor allem durch eine Schlüsselszene in Jonathan Demmes Klassiker „Das Schweigen der Lämmer“ bekannt geworden. Q. Lazarus’ „Goodbye Horses“ ist die Begleitmusik zu Buffalo Bills verstörendem Tanz, den er als Frau zurechtgemacht vor der Kamera aufführt. Tone Of Arc’s Version hält sich nahe am Original und sogar ihr Video zeigt Boyd in der Rolle des sexuell motivierten Massenmörders und eine Interpretation der Filmszene. Hier wird der Höhepunkt an Schlüpfrigkeit erreicht, doch „The Time Was Right“ bietet in der Summe eine Non-Stop Party, die erst aufhört, wenn die Platte zu Ende gehört ist.
Ein weiterer Höhepunkt hebt auf den Tugenden einer anderen Musik-Legende ab. „Chalk Hill“ hat das gleiche Funk-Anmutung und die Punk-Attitüde, die The Clash auf ihrem Triple-Album „Sandinista!“ abfeiern. Vor allem der gedoppelte Gesang erinnert an die Art wie Joe Strummer ins Mikrofon zu bellen pflegte. Auch der jamaikanische Unterton wird ins Hier und Jetzt befördert – politische Tanzmusik für ein Zeitalter nach 2010.
Es scheint nach dem Genuss dieses Albums einmal mehr klar geworden zu sein, dass sich die Rückbesinnung auf musikalische Zitate nur dann auszahlt, wenn mit der Aneinanderreihung von Tracks eine Geschichte erzählt wird. Untypisch für die meisten Alben mit Dance Tracks ist die Länge von 55 Minuten, bei der aber keine einzige verschenkt ist. Anders als jene Versuche, die durch eine Überbetonung des Retro-Futuristischen zur Wiederholung neigen, lehnen sich Tone Of Arc weiter aus dem Fenster und erkunden die 70er und 80er Jahre aus einem ganz eigenen Blickwinkel.
Reinhören:
Trackliste:
- Surrender
- Love Kissed
- Chalk Hill
- Lost in the Machine
- Where You Belong
- Goodbye Horses
- People at the Door
- The Time Was Right
- Hardly Standing
- Sound Sail
- Left Field