Neu auf dem Radar: Ryan Hemsworth

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Wenn Musiker in mehr als einem Genre arbeiten, legen sie sich gerne ein Pseudonym zu – manchmal auch gleich mehrere. Ryan Hemsworth aus dem verschlafenen Halifax in Kanada hingegen hat kein einziges Alias. Es wäre aber auch schwer zu unterscheiden, wo bei Hemsworth die eine Musikrichtung anfängt und die andere aufhört. Egal ob er Beats für die kalifornischen Avantgarde-Rapper vom Green Ova-Kollektiv baut oder einen seiner Bootleg-Remixe auf Soundcloud hochlädt – der kanadische Produzent macht am liebsten alles auf einmal.

Bei Hemsworths musikalischem Werdegang ist diese „Anything Goes“-Attitüde aber auch kein Wunder. Der ehemalige Musik-Journalist spielte in Indie Rock-Bands bis er Hip Hop und elektronische Musik für sich entdeckte. Kurzum tauschte er Gitarre und Schlagzeug gegen einen Laptop ein. Die Emotionalität des kanadischen Indie-Rocks ist deshalb ebenso Bestandteil seiner Musik wie die synthetischen Sounds des US-Südstaaten-Rap und die vernebelte Ästhetik von Downbeat-Futuristen wie Shlohmo oder Clams Casino.

Besonders die Reibungsfläche unterschiedlicher Musikstile ist für Hemsworth von Interesse. Die Art wie er Samples von so gegensätzlichen Künstlern wie dem kontroversen US-Rapper Max B und dem deutschen Diskurs-Pop-Projekt The Notwist zusammenführt, ist ein Spiel mit Hörerwartungen. Nicht selten erinnert das an die Mixe von Mashup-DJ Girl Talk. Neben exzessivem Sampling bestimmen seine Tracks Synthesizer-Flächen, die direkt aus Videospielen der frühen Neunziger stammen könnten, sowie ein Hang zum Bombast.

Überraschend wenig bombastisch ist Ryan Hemsworths jüngste Veröffentlichung „Still Awake“. Die kostenlos downloadbare Instrumental-EP enthält sechs neue Tracks und ähnelt in ihrer zurückhaltenden Stimmung stark an die frühen Four Tet-Alben. Songtitel wie „I Want To Stare At Your Face Until I Die“ finden ihre Entsprechung in einem wehmütig klimperndem Arrangement. Hemsworth vertieft also weiter seine melancholische Seite. Für sein geplantes Album versucht er bereits Gäste wie den kanadischen Rapper Drake oder den Autotune-Sänger Future zu gewinnen. Diese sind ebenfalls dafür bekannt, in ihren Songs auf die Tränendrüse zu drücken.

https://soundcloud.com/ryanhemsworth/sets/a

Ryan Hems­worth: „All Our Thoughts Are Physical“, wochentags am Mittag auf BLN.FM