RP Boo – Legacy

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legacyKickdrums stolpern vor sich hin, Snares schlagen wie wild um sich, Stimmfetzen fallen einander ins Wort. So zerstört klingt die Musik von RP Boo, dessen Album „Legacy“ gerade beim britischen Label Planet Mu erschienen ist. „Record Player“ Boo ist ein Footwork-DJ und Produzent aus Chicago. Der außerhalb eines eingeweihten Kreises von Footwork-Fans eher unbekannte Musiker war an der Entstehung des hektischen Musikstils selbst beteiligt. Schon Ende der 1990er gab er mit Tracks wie „11-47-99“ die Richtung an, in die sich der Chicagoer Dance-Sound in den darauf folgenden Jahren entwickeln sollte. Minimalistische Produktion, synkopierte Roland-Drums und wiederkehrende Samples aus prominenten Rap-Songs trafen aufeinander. Mit Planet Mu erscheint RP Boos Debut-Album nun auf einem Label, das durch seine Veröffentlichung Footwork in Europa bekannt gemacht hat. So ist RP Boo auch schon auf den „Bangs & Works“-Compilations des Labels vertreten. Doch ohne Album schaffte es der Juke-Pionier nie zu der weltweiten Bekanntheit von DJ Spinn oder DJ Rashad.


(„RP Boo – 11-47-99“, bei YouTube fälschlicherweise als „DJ Slugo – Godzilla Remix“ gekennzeichnet)

Um außerhalb Chicagos leicht verstanden zu werden, sind Boos Tracks vielleicht auch zu sehr verwurzelt in der Szene ihrer Herkunftsstadt. Wenn Tänzer zum Battle in den Sporthallen Chicagos gegeneinander antreten, funktioniert die Musik als Untermalung komplizierter Bewegungen. „Legacy“ ist voller wilder Collagen. Sound-Fetzen von ungleichen Interpreten wie Bone Thugs-N-Harmony, Justin Timberlake und Phil Collins führt RP Boo sinnvoll zusammen, indem er sie thematisch gruppiert. In „Battle In The Jungle“ geht es um den Überlebenskampf im Urwald, in „187 Homocide“ um Mord und Totschlag und in „Speakers R-4 (Sounds)“ um die richtige Verwendung von Lautsprechern.

Diese Schichten von Stimmen und Melodien – teilweise obskur, teilweise weltberühmt – erinnern stark an das muntere Sample-Raten auf  frühen Public Enemy-Alben. Eine weitere Parallele zu Rap-Musik ist die beklemmende Stimmung, die RP Boo in einem Großteil der Tracks forciert. Die Symbole der Gewalt, wie das gesampelte Mantra „Mo Murder, Mo Murder“, können als Metapher für einen siegreich abgeschlossenen Tanzwettbewerb, aber auch ganz wortwörtlich verstanden werden. Schließlich ist Chicago seit Jahrzehnten Schauplatz von Bandenkriegen und hat eine der höchsten Mordraten in Nordamerika. Ob gewollt oder nicht: Dieser Kontext verleiht dem kakophonischen Durcheinander auf „Legacy“ einen Anklang von Paranoia, der das Album zu mehr werden lässt als nur eine Sammlung funktionaler Dance-Tracks.