Daft Punk – Random Access Memories

Daft Punk - Random Access Memories ArtworkSelten erregt ein Act, vor allem aus dem elektronischen Musiklager, so viel öffentliches Interesse wie Daft Punk. Nach der ersten Single „Get Lucky“ (feat. Pharrell Williams) aus dem aktuellen Album „Random Access Memories“ schlug die Blogosphäre Alarm. Schon wenig später lief der Track auf jedem Formatradio in Dauerschleife – zwischen den hysterischen Kirmesproduktionen eines anderen Franzosen: David Guetta. Die Fähigkeit Daft Punks gefällige Chartsingles abzuliefern ist also nicht zu bestreiten, auch wenn es einige Fans nach dem rohen „Human After All“ verdrängt haben. Doch die Spaltung in Lager von Hörern, die Daft Punk entweder „cool“ oder „uncool“ fanden, gab es schließlich schon, als nach dem ersten übercoolen Meisterwerk „Homework“ der mit Kitsch überladene Nachfolger „Discovery“ erschien, inklusive der penetranten „Feel good“-Hitsingle „One More Time“.

Wenn sich jetzt viele über die „Weiterentwicklung“ der Franzosen zu einem noch radiotauglicheren Format aufregen, ist das nicht ganz nachvollziehbar, wenn man im Auge behält, wo sie herkommen und was ihre Einflüsse sind. Nimmt man „Random Access Memories“ unter die Lupe, wird deutlich, dass neben Mainstreamdisco der Spät-1970er und Elektro der Früh-1980er auch eine Menge schwindsüchtige Rockballaden aus der gleichen Ära in den Plattenregalen Daft Punks stehen müssen.

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Stichwort „Mainstream-Disco der 1970er“: Der ehemalige Chic-Gitarrist Nile Rodgers ist mit seiner sechssaitigen Funk-Gitarre an allen Ecken und Enden auf „Random Access Memories“ zu Gange. Einen klaren Hinweis auf die Verehrung des Altmeisters lieferte schon die Innenseite des Klappcovers von Daft Punks Debüt-Album „Homework“, in die Chic-Single „Stage Fright“ als Motiv genutzt wurde. Nun, da Geld fließt, muss man Nile Rodgers nicht mehr samplen, sondern kann sich den Grandseigneur mit dem rasiermesserscharfen Saitenanschlag im Studio leisten. Aber das ist nicht das einzige, mit dem Daft Punk auf „Random Access Memories“ ein Update des seichten Discosounds fabrizieren, wie er im US-Radio um 1980 rauf- und runterdudelte.

Stichwort „Elektropop der Früh-1980er“: Der Vocoder-Effekt, mit dem die Düsseldorfer Elektropop-Pioniere Kraftwerk in ihrem Hit „Wir sind die Roboter“ 1978 ihre Modernität auf den Punkt brachten, ist ein Markenzeichen von Daft Punk. Was mit einem wohldosierten Einsatz bei „Around The World“ und „Da Funk“ begann, hat sich seit der Maskierung mit Roboterhelmen zu einem obligatorischen Standard entwickelt. So werden allzu viele Tracks auf „Random Access Memories“ durch Einsatz dieses Retro-Effekts als Daft Punk-Stück gekennzeichnet. Überstrapaziert und unangebracht wirkt das Stilmittel nicht nur bei Julian Casablancas’ kraftlosen Gesangsbeitrag bei „Instant Crush“. Hier passt der Vocoder nicht gut zu einer Indiepop-Nummer, vor allem weil die Vocals dadurch noch käsiger wirken als sie eh schon sind. Nach dem zehnten Neon-Pullover fällt es eben auch mal auf, dass diese Farben grell und schlecht zu kombinieren sind.

Stichwort „schwindsüchtige Balladen“: Das Manko von „Random Access Memories“ liegt in der ultraglatten Produktion meist mittelmäßiger Popsongs. Schafften Daft Punk einst House-Schick auch dem verschwitztem Indiepublikum nahe zu bringen, besteht ihr viertes Studioalbum zum größten Teil aus einem Spagat zwischen pseudo-modernem, manieriertem Stehblues und einigen zum Schwoofen geeigneten Midtempo-Funk-Nummern wie die beiden Tracks mit Pharrell Williams.

Überraschungen findet der Hörer ab dem letzten Drittel der Scheibe: Mit „Motherboard“ gibt es einen Ausflug in den Ambientbereich, wo spacige Klänge ganz hervorragend zu dem gewählten Titel passen. „Doin‘ It Right“ feat. Panda Bear glänzt gar mit einem wirklich modernen, sehr reduzierten R’n’B-Pop-Charme. Auch der leidige Vocoder ist in diesem Track ein hervorragendes Mittel um Rhythmus und Harmonie zu schaffen. „Contact“ versöhnt ganz zum Ende hin die Rockgemeinde mit schrillem Pfeifen, Quietschen und schiefen Tönen. So einen krassen Einsatz von Livedrums hat es im Daft Punkschen Musik-Kosmos zuvor nie gegeben.

Summa summarum: Letztendlich bleibt der Eindruck, dass Daft Punk mit denen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln ein Album abgeliefert haben, das mit Absicht den Klubaspekt aussen vor lässt. Dabei wird deutlich, dass ihr mangelndes Können als Songschreiber durch eine groß in Szene gesetzte Verpackung nicht ausreicht um den Hörer bei der Stange zu halten. So bietet das Album einige wenige gute Nummern, um die sich leider eine Menge Füllmaterial sammelt. Unbeabsichtigterweise steht das „Random“ im Titel des Albums für die Auswahl der Titel die das Album ausmachen: sie sind oft allzu beliebig!

Preview:


Tracklist:

  1. Give Life Back To Music
  2. The Game Of Love
  3. Giorgio By Moroder
  4. Within
  5. Instant Crush (feat. Julian Casablancas)
  6. Lose Yourself To Dance (feat. Pharrell Williams)
  7. Touch (feat. Paul Williams)
  8. Get Lucky (feat. Pharrell Williams)
  9. Beyond
  10. Motherboard
  11. Fragments of Time (feat. Todd Edwards)
  12. Doin‘ It Right (feat. Panda Bear)
  13. Contact

(Sony)