Jeans Team. Das ist, wenn krude Frittenbudenromantik auf stilsicheren Elektrosound trifft. Bei der Namensgebung, inspiriert durch ein altes Neonreklameschild aus dem Wedding der 90er Jahre, zieht sich die Idee, beliebige Fragmente des Alltags mit (neuem) Inhalt zu füllen, durch das Programm. Scheinbar kontextlose Alltagsphrasen werden zu messerscharfen Punchlines ikonisiert.
So scheinen die Lyrics, insbesondere auf dem textlastigen aktuellen Album „Das ist Alkomerz“, oft wie aufgeschnappte Konversationsfetzen aus der U-Bahn, wenn es so rotzig-schnöde heißt: „Gay House Party oder wie oder was?“ oder etwa „Ein kleines Bomberjäckchen, das steht mir gut.“ Keine Frage: Hier wird am Puls der Zeit operiert. In der „Gesundbrunnencenter“-Hymne zeugen die Vignetten über Zufallsbegegnungen an der Kasse bei Real, wo das Sternburg schon „völlig schal“ ist, auch von toponymischer Raffinesse. Auf diese Weise verstehen es Jeans Team insbesondere die Berliner Hörerschaft von sich einzunehmen.
Im Zeitalter der post-ironischen Blasiertheit hat so ein Trash-Album natürlich leichtes Spiel. Unter dem Radar des gemeinen Deichkind-Hörers hindurch, wird ein Jeans Team-Konzert so auch schon mal zum wahren Hipster-Magneten. Sänger Reimo Herfort performt, als ob es um sein Leben ginge, während Partner Franz Schütte mit seiner abgeklärten Buchhalter-Art dessen Energie auffängt und kanalisiert als hätte er nie etwas anderes getan. Ein eingespieltes Team eben dieses Jeans Team. Dass sie etwas können, haben sie mit wuchtigen NDW-Klängen und Konsens-Hits wie „Keine Melodien“ oder „Cocktailständer“ unlängst bewiesen. Zeit also, sich nach beinahe 20 Jahren weit aus dem Fenster des guten Geschmacks zu lehnen. So scheint „Alkomerz“ wie ein Werk von Jeff Koons: Es ist sexy („Erotik ABC“), schrill („Gay House Party“) und sorgt für Ratlosigkeit – spätestens wenn „Prize Maximizer“ sich mit seinen Weltallgeräuschen auftut wie ein vierzigminütiges schwarzes Loch.
Hinzu kommt ein Sound, der eher an ein „Jump and Run“-Spiel aus den 90ern erinnert, statt sich auf die Virtuosität früherer Werke zu berufen. Eine Art morbide Neugier bringt uns dazu, uns neu oder überhaupt auf das Duo aus dem Berliner Wedding einzulassen, deren aktuelles Album daherkommt wie ein Potpourri veralteter Après-Ski-Hymnen, das man in irgendeiner Grabbelkiste am Kottbusser Tor vermuten würde. Unter dem Motto: „Schöne Musik können wir auch irgendwann anders noch mal machen“, werden Texte wie aus dem Hartz-IV-Fernsehen mit seichten Beats vermengt und dem Hörer mit einer Souveränität um die Ohren gehauen, dass einem Angst und Bange wird. Nicht umsonst findet sich in der CD-Hülle der aufs Album bezogene Hinweis: „Wenn du glücklich bist, macht es dich glücklicher. Wenn du traurig bist, macht es dich trauriger.“
„Das ist Alkomerz“ ist letztendlich so unvorhersehbar wie grotesk. Völlig alleingelassen kommen wir nicht umhin uns zu fragen, ob wir es hier mit einfältigen Idioten oder ausgeklügelten Genies der elektronischen Tanzmusik zu tun haben. Und genau dann beschleicht uns das Gefühl, dass Jeans Team uns genau da haben, wo sie uns haben wollen: irgendwo in der Schwebe zwischen Begeisterung und Fassungslosigkeit. Letztendlich bleibt „Das ist Alkomerz“ – zwar mit vertrauten Klängen („Lolita Dröhn“) aufwartend, doch größtenteils für derbe Ohrwürmer sorgend – ein Party-Album, von dem man sich am besten live überzeugen lässt.
Preview:
Tracklist:
- Ey
- Scheiss Drauf
- Gay House Party
- Menschen
- Haddu Zeit
- Sozialistische Einheiz Party
- Erotik ABC
- Bomberjäeckchen
- Lolita Dröhn
- Party Unser
- Gesundbrunnencenter
- Prize Maximizer