Kurzvorträge I
Gerd Leonhard: Music like Water, Barbara Kisseler: Kreativstadt Berlin
Die „a2n“ ist als Aufbruch zu verstehen. So die einleitenden Worte am letzten Tag. Bevor man auseinandergeht, soll am letzten Tag auf der Konferenz im Radialsystem Bilanz gezogen werden. Was hat die erste „a2n“ gebracht? Was ist bei den Panels erarbeitet worden?
Gerd Leonhard ist der erste Redner. Von Beruf ist er Medien-Futurist. „Music like Water“ beschreibt seiner Meinung nach am besten, wie er über Musik denkt. Es ist ein Zitat von David Bowie – immerhin einer der ersten Musikkünstler, der das Internet als Plattform für den Vertrieb seiner Musik entdeckt und genutzt hat. Seiner Meinung nach steigt der Wert von Musik wenn sie geteilt wird. Dass heißt für ihn aber nicht, dass auf das Copyright verzichtet wird. Fairer Umgang ist das Zauberwort.
Den neuen Hype, den Musik-Streaming-Dienst Spotify,hält Leonhard unter den derzeitigen Möglichkeiten für gefährdet. Neben den juristischen Hürden, könnte es auch rein rechnerisch nicht funktionieren, da die Kosten einfach zu hoch werden würden. Als Beispiel führt Leonhard an, dass schon die Hälfte der gesamten Kosten von Google dafür benötigt werden würden, um den Grundbetrieb von Spotify aufrecht zu erhalten. Wenn man davon ausginge, dass 200 Millionen User durchschnittlich 40 Songs pro Tag hören und Spotify für jeden dieser abgespielten Songs 1 Cent pro Tag zahlt, entständen Kosten, die kaum wieder einzuspielen wären. Außerdem ist es mit der Unabhängigkeit von Spotify nicht weit her: Gerd Leonhard zeigt, dass Spotify bereits zu großen Teilen der Major-Musikindustrie, namentlich Sony, Universal und Warner, gehört.
Facebook für das nächste BBC
Die Kulturflatrate bietet für ihn auch keine Möglichkeit für eine faire Abrechnung. Copyselling hält er generell für altmodisch, die Ära des Daten-Sharings beginnt seiner Meinung nach gerade erst. Leonhard prognostiziert, dass man in 2 Jahren überall jede Art von Daten 1000 mal schneller teilen kann. Deshalb hält Leonhard Facebook für das nächste BBC. Im Endeffekt hätte die Welt derzeit nur zwei Möglichkeiten, dieser technischen Entwicklung zu begegnen: uns weiterhin zu verschließen oder das Schloss zu öffnen und das Netz komplett freigeben.
Als Gegenbeispiel führt Leonhard China an. Dort sorgt Google dafür, dass auf mehreren Seiten Musik legal heruntergeladen werden kann, ohne das extra dafür gezahlt wird. Laut Leonhard zahlt sich das aus. So kommt Musik aus dem Internet zum Hörer ähnlich wie aus dem Radio: frei empfangbar, ohne Einzelabrechnung. Das war zu Anfangszeiten des Radios auch illegal. Aber alle haben Radio benutzt – und daraufhin wurde es legalisiert. Aber China ist ein anderes politisches System: es überwacht seine Nutzer und schliesst Zugänge zu unerwünschten Inhalten.
Leonhards Vision: Alle sollen das Internet benutzen können – erstmal frei unter einer Lizenz für Internet-Musik. Jeder sollte mit Musik tun können, was er will: Geld sollen nur noch die zahlen, welche die Musik geschäftlich verwerten – beispielsweise Radiostationen, Application-Stores, Marken, die Musik für Werbung einsetzen. Grob gerechnet würde 1 Euro pro Nutzer wöchentlich ausreichen um weltweit alle entstehenden Kosten zu decken. Selbst mit 50 Cent würde das noch gehen, behauptet Leonhard. Nicht-kommerzielle Nutzer können auch freiwillig für Musik zahlen – beispielsweise für DVDs und CDs, Live-Konzerte, mobile Nutzung, als Bundle im Verbund mit Hardware. Da passt am besten laut Leonhard ein Zitat von Kevin Kelly: „When copys are free, you have to sell things that can´t be copied.“
Den folgenden Redebeitrag von Barbara Kisseler kann man sich leider sparen, das ist (wie leider zu erwarten) größtenteils Wahlkampfgerede. Kunst hat ihren Stolz. Künstler bringen einen Schuss Unverschämtheit in den Alltag. Sie streuen Sand ins Getriebe der Gesellschaft. (Auf die rechtlichen Folgen, die ein solches Streuen mit sich bringen könnte, geht sie nicht weiter ein.) Frank-Walter Steinmeiers Kreativplan sei gut, sie selbst sei in seinem Kompetenzteam. Auch weiß sie, dass man jetzt und hier keine Lösung fände, aber man brauche in Zukunft die Chance mit der Verwertung von Musik Geld zu verdienen. Von der Kulturflatrate ist sie nicht überzeugt. Einen fairen Interessensausgleich hält auch sie dringend vonnöten. Die Politik solle Sachwalterin der Werte sein. Komplett disqualifiziert sie sich zum Ende ihrer Rede mit der Anmerkung, dass 90% der im Saal sitzenden Leute eh wesentlich schlauer seien als sie.
Hier gibts alle Berichte von der all2gether now
Anwesend von BLN.FM: Ima Johnen, Sara Hussain, Tim Thaler